Deutschlands Handballer treffen am Freitag auf den großen Rivalen. Dann weist sich der Weg für die neuformierte Auswahl des DHB. Unterdessen steht Polens Trainer, Michael Biegler, vor einem Wechsel zum HSV.

Doha. Einen ersten Ausflug in die bizarre Welt Dohas haben die deutschen Handballer schon hinter sich. Ziel: die Villagio Shopping-Mall, eine Hunderttausend Quadratmeter große Retortenstadt im Stile Venedigs, in der man in Gondeln von Geschäft zu Geschäft schippert. Achterbahn, Wasserrutsche und Eishockey-Halle gibt es hier, inmitten der Wüste. Die Reaktionen auf diese Scheinwelt sind unterschiedlich. „Shopping-Malls sind nicht so mein Ding“, sagt Steffen Weinhold, Rückraum-Linkshänder des THW Kiel.

Dagur Sigurdsson war zufrieden. „Das war gut, um etwas Ablenkung vom Handball zu haben“, sagte der neue Bundestrainer, schließlich bereite sich die Mannschaft schon seit zwei Wochen intensiv auf die 24. WM in der Hauptstadt Katars vor. Ab sofort aber gilt es. Beim WM-Auftakt gegen Polen (17 Uhr, live bei Sky) weist sich an diesem Freitag der Weg für die neuformierte Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). „Die Stimmung ist gut“, sagt Sigurdsson. „Wir sind gut vorbereitet.“

Ausgerechnet Polen. Gegen das Team des deutschen Trainers Michael Biegler waren die Deutschen in den WM-Play-offs im Juni knapp gescheitert, weshalb Sigurdssons Vorgänger Martin Heuberger seinen Hut nehmen musste. Erst eine äußerst umstrittene Wildcard des Weltverbandes IHF ermöglichte den deutschen Handballern die Reise in den Wüstenstaat.

Biegler heizte die Debatte kürzlich noch an, als er behauptete, die Wildcard habe schon vor den Playoffs festgestanden: Dafür musste Biegler zum Rapport in die Baseler IHF-Zentrale. Seitdem schweigt er beharrlich, nicht nur in diesem Punkt. Unruhe im polnischen Team stiftete auch die Nachricht, dass er sich mit dem HSV Handball einig sein soll, ab 8. Februar in Hamburg zu arbeiten. „Darüber müssen wir noch reden“, sagt Polens Verbandspräsident Andrzej Krasnicki. „Aber erst nach der WM, im Februar oder März.“

Derlei Nebengeräusche belasten Sigurdsson nicht. Der Isländer hat in den letzten Tagen mehrfach erklärt, er werde sich mit sportpolitischen Dingen nicht auseinandersetzen. Auch nicht mit der Vergangenheit der deutschen Mannschaft, sondern nur mit der Gegenwart. „Die Playoffs sind lange her“, sagt der Isländer. Auch die meisten Profis betrachten das Duell nicht als Revancheakt. „Wir sind ja eine völlig neue Mannschaft“, sagt Weinhold.

Und dennoch ist der Klassiker gegen die Polen etwas Besonderes. Bekanntlich sind die Osteuropäer, von denen viele in der Bundesliga spielten (z.B. Torwart Kasa Szmal, Michal Jurecki) oder, wie der routinierte Kreisläufer Bartosz Jurecki (Magedburg), noch als Legionär aktiv sind, gegen die Deutschen extrem motiviert. Nicht nur Weinhold erwartet daher einen brachialen Kampf auf allerhöchstem Niveau. „Vor solch einem Spiel weiß man, dass wenn man die Nase in die Abwehr steckt, sie auch brechen kann“, sagt der Profi, dessen Markenzeichen der Weg in die Zone des Schmerzes ist. Dem Kollegen auf halbrechts.

Weinhold freilich sagt, dass sein Team klarer Außenseiter sei. „Wir stapeln weiter tief“, sagt auch der Göppinger Michael Kraus, der letzte verbliebene Feldspieler aus dem Weltmeisterteam von 2007. „Aber die Polen haben vor uns auch großen Respekt“, so Kraus. „Der Gegner ist sehr stark“, sagt Sigurdsson, der zwar seinem 18er-Kader um Kapitän Uwe Gensheimer schon mitgeteilt hatte, welche zwei Spieler vorerst zuschauen müssen, dies aber öffentlich nicht mitteilen wollte.

Geradezu paradiesisch ist die Infrastruktur für das Team. Die Hallen, die medizinischen Möglichkeiten, die Unterbringung im Fünf-Sterne-Hotel am Strand – all das sei „unglaublich“, sagt Teamchef Oliver Roggisch. Auch die supermoderne Halle in Lusail, in der die deutschen Profis heute den Auftakt gegen Polen bestreiten, scheint einem Märchen aus 1001 und einer Nacht zu entspringen. Aber mit dem Anpfiff erwartet die deutschen Spieler wieder die harte Realität des Profisports.