Interims-Cheftrainer des Volleyballteams Aurubis hat Gefallen an seiner neuen Aufgabe gefunden

Hamburg. Wahrscheinlich ist es diese Antwort, die am meisten aussagt über Vaceslav Schmidt: „Je früher Dirk zurückkommt, desto besser. Er ist der Chef, ich bin es nur vorübergehend. Aber bis dahin werde ich alles geben, damit wir erfolgreich sind“, sagt der 32-Jährige auf die Frage, ob er sich schon an sein neues Dasein gewöhnt habe. Seit dem 8.Dezember, dem Tag, an dem sich Dirk Sauermann auf unbestimmte Zeit krank meldete, ist der Mann, den alle nur „Slava“ nennen, Interims-Cheftrainer der Bundesligafrauen des Volleyballteams Aurubis, die an diesem Mittwoch (20 Uhr, CU-Arena) Allianz MTV Stuttgart empfangen.

Er hat nicht gezögert, diese Aufgabe zu übernehmen, sein Pflichtgefühl hat ihm keine andere Wahl gelassen. „Aber ich freue mich schon auf den Tag, wenn Dirk zurückkehrt“, sagt er. Diese Vorfreude liegt nicht darin begründet, dass sich der in Kirgistans Hauptstadt Bischkek aufgewachsene Diplomsportlehrer das Führen einer Mannschaft nicht zutraut. Im Gegenteil, es macht ihm Spaß, seine Emotionen, die er in dauerhafter Lautstärke am Spielfeldrand auslebt, auf die Spielerinnen zu übertragen. „Emotionen sind das Wichtigste im Sport. Nur wer im Herzen den Sieg will, kann ihn auf dem Spielfeld erreichen. Wenn man sieht, dass die Dinge, die man im Training eingeübt und besprochen hat, im Spiel wirklich funktionieren, ist das ein tolles Gefühl“, sagt er.

Seine Zurückhaltung den neuen Job betreffend hat vielmehr mit der Loyalität zu tun, die er Sauermann gegenüber verspürt. Immerhin war es der 39-Jährige, der ihn bereits in seinem zweiten Trainerjahr zum Assistenten bei der Zweitligareserve des Vereins machte und ihn dann in diesem Sommer in die Bundesliga mitnahm. „Ich habe sehr viel von Dirk gelernt und würde ihn als ein Vorbild bezeichnen“, sagt Schmidt. Er steht mit seinem Chef, dessen Erkrankung aus persönlichen Gründen nicht benannt wird, in stetem Kontakt, Sauermann ist weiterhin für die Videoanalysen zuständig.

Slava Schmidt macht kein Geheimnis daraus, dass er in seinem dritten Jahr als Trainer noch Unterstützung benötigt, was vor allem zeitliche Ursachen hat. Fachlich kann man ihm wenig vormachen, denn auch wenn er erst als 16-Jähriger mit dem Volleyball begann, schaffte er es bis in die erste kirgisische Liga. Nachdem er 2003 mit 21 als Spätaussiedler mit seiner deutschstämmigen Ehefrau nach Hamburg gekommen war, spielte er viele Jahre in unterklassigen Teams. Sein Hobby in Deutschland zum Beruf zu machen hätte aber nicht ausreichend Geld abgeworfen, um sich, seine Frau und den heute zwölfjährigen Sohn Igor durchzubringen.

Deshalb arbeitet der Neugrabener hauptberuflich bei der Stadtreinigung, er fährt in Harburg einen Müllwagen. Von Montag bis Freitag klingelt der Wecker schon um vier Uhr, die Schicht geht von 5.30 bis 14 Uhr, so dass er nur das Nachmittagstraining leiten kann. Die Vormittagseinheiten übernahm bislang Praktikant Alexander Stravs, der sich als Sportstudent mit Athletiktraining auskennt. Seit Montag ist aber für professionelle Unterstützung gesorgt. Der Hamburger Landestrainer Knut Rettig, 53, der von 1993 bis 2003 Chefcoach des Aurubis-Stammvereins TV Fischbek war, hat seinem Freund, dem Aurubis-Präsidenten Horst Lüders, zuliebe seine Hilfe angeboten und wird, sofern es sein Hauptberuf als Leistungssportkoordinator am Gymnasium Heidberg erlaubt, bei so vielen Trainingseinheiten und Spielen wie möglich als Berater am Spielfeldrand dabei sein.

Slava Schmidt, der nicht die nötige Lizenz besitzt, um dauerhaft als Chefcoach arbeiten zu dürfen, was Aurubis durch Zahlung einer pauschalen Strafsumme mittlerweile mit der Liga geregelt hat, freut sich darüber. Wenn Dirk Sauermann, wonach es aussieht, noch in dieser Saison zurückkehrt, dann wird er sowieso wieder ins zweite Glied rücken. Klaglos, aber um eine schöne Erfahrung reicher.