Felix Sturm und Robert Stieglitz kämpfen nicht um einen Titel, sondern um die Gunst ihrer Fans und ihres TV-Partners. Der Sieger des Duells wird 2015 gegen Arthur Abraham antreten.

Hamburg. Mit seinem lauten Bass und dem dröhnenden Lachen, das Stahlwände durchdringt, ist Thomas Pütz nicht zu überhören. Und dass der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB) mit seinen Aussagen die deutsche Faustkampfszene zu spalten weiß, hat er mehrfach nachgewiesen. Vor dem Kampf an diesem Sonnabend, auf den viele deutsche Boxfans seit Wochen hinfiebern, dürfte allerdings kaum jemand den Worten des Kaltenkircheners widersprechen. „Das ist ein Kampf, den die Fans sehen wollen. Dass es nicht um einen Titel geht, interessiert niemanden“, sagte Pütz mit Blick auf das deutsche Duell zwischen den Ex-Weltmeistern Felix Sturm und Robert Stieglitz (22.30 Uhr/Sat.1).

Tatsächlich könnte die in der Stuttgarter Porsche-Arena erwartete Ringschlacht für eine Zäsur im deutschen Profiboxen sorgen. Hatten die Promoter hierzulande in den vergangenen Jahren bisweilen abenteuerliche Konstellationen konstruiert, um den Fernsehauftritten ihrer Sportler durch obskure Titel wie „Mittelmeer-Meisterschaft“ mehr Bedeutung zu geben, so steht beim Aufeinandertreffen Sturms und Stieglitz’ der reine Sport im Mittelpunkt. Der Sieger des Duells wird im Sommer 2015 gegen WBO-Supermittelgewichtschampion Arthur Abraham vom Berliner Sauerland-Stall antreten. Für den Verlierer dürfte der Weg in die Weltspitze dagegen ein langer werden.

Deutsche Duelle ohne Titelgewinn wird es in Zukunft öfter geben

Eins ist klar: Einen der Titel der vier bedeutenden Weltverbände zu erobern, das bleibt das Ziel jedes ambitionierten Boxers. Dass es dazu jedoch keiner fragwürdigen „Untertitel“ bedarf, sondern man mit Duellen, die die Fans elektrisieren, mehr Aufsehen erregen kann, wollen Sturm und Stieglitz nun nachweisen. Ihr Vorteil ist, dass sie mit Sat.1 beide für denselben TV-Exklusivpartner in den Ring steigen. An der Streitfrage, welcher Sender übertragen dürfe, waren in der Vergangenheit Duelle wie Dariusz Michalczewski gegen Henry Maske, Michalczewski gegen Sven Ottke oder auch Sturm gegen Abraham gescheitert.

Da der Sauerland-Stall zum Jahresende seine Partnerschaft mit der ARD beendet und von 2015 an ebenfalls mit Sat.1 kooperiert, steht Abraham, der seinen Titel im Februar noch einmal verteidigen muss, für den Sieger des Sonnabends bereit. „Es wird in Zukunft nicht mehr die Chance geben, sich herauszureden, weil der Gegner bei einem anderen Sender boxt“, sagte Sat.1-TV-Geschäftsführer Zeljko Karajica. „Wir sind ab sofort die klare Nummer eins im Boxen und wollen entsprechend hochwertige Kämpfe bieten“, sagte Sat.1-Sportchef Alexander Rösner.

Sorgen um die Zukunft müsse sich, so Rösner weiter, zwar auch der Verlierer nicht machen. „Es gibt keine Planungen bei uns, die Zusammenarbeit mit Sturm oder Stieglitz nicht weiterzuführen, aber darüber werden wir erst nach dem Kampf reden“, sagte er. Dennoch ist klar, dass nur der Sieger weiter auf die ganz großen Zahltage hoffen darf. Seit der Kölner Sturm, 35, der sich seit seinem Abschied vom Hamburger Universum-Stall im Jahr 2009 in Eigenregie vermarktet, im Mai seinen IBF-WM-Titel im Mittelgewicht nach einer erschütternden Vorstellung an den Australier Sam Soliman verloren hat, sehen diverse Experten den zwei Jahre jüngeren Kontrahenten vom Magdeburger SES-Stall im Vorteil. Stieglitz, der im März seinen Gürtel an Abraham hatte abgeben müssen, könnte vor allem davon profitieren, dass der Kampf in einem sogenannten Catchweight von 75,5 kg stattfindet. Sturm darf zwar drei Kilogramm mehr wiegen als in seinem gewohnten Limit, dafür könnten Schlaghärte und Kondition seines Herausforderers mehr zur Geltung kommen, als wenn dieser ins Mittelgewicht hätte absteigen müssen.

Vergessen sollte allerdings niemand, dass Sturm, der nach der Trennung von Cheftrainer Fritz Sdunek erstmals von Magomed Schaburow vorbereitet wurde, die Erfahrung von 21 WM-Kämpfen aus 46 Profifights mitbringt (Stieglitz: 13 aus 51). Gerade in deutschen Duellen schöpft der Edeltechniker sein Potenzial aus. 2005 siegte er gegen seinen damaligen Universum-Kollegen Bert Schenk durch K.o. in Runde zwei. 2008 gegen Sebastian Sylvester (Sauerland) und 2009 gegen Khoren Gevor (Universum) gewann er klar nach Punkten, 2012 schlug er Sebastian Zbik (Universum) durch Abbruch in Runde neun.

Die Brisanz des Duells um die Gunst ihres TV-Partners und der deutschen Fans ist beiden bewusst, entsprechend selbstbewusst gaben sie sich. „Sturm behauptet ja, eine Boxlegende zu sein. Nach unserem Kampf wird er in Rente gehen müssen“, sagte Stieglitz. „Bis zum Kampf kann er reden, dann wird alles im Ring erledigt“, entgegnete Sturm. Ballyhoo wie gewohnt also, auch wenn kein Titel auf dem Spiel steht.