Vor dem Finale gegen Tschechien spricht Fed-Cup-Spielerin Julia Görges über Teamgeist

Hamburg. Am vergangenen Sonntag feierte Julia Görges ihren 26. Geburtstag, das passende Geschenk soll an diesem Wochenende folgen: Mit den deutschen Tennisdamen tritt die Weltranglisten-75. in Prag gegen Tschechien zum Finale um den Fed-Cup (Sa/So, jeweils 12.45 Uhr, Sat.1 live) an. Görges wird im Doppel zum Einsatz kommen, für die Einzel gegen Petra Kvitova (Nr. 4) und Lucie Safarova (Nr. 17) nominierte Bundestrainerin Barbara Rittner die Kielerin Angelique Kerber (Nr. 10) und Andrea Petkovic (Nr. 14) aus Darmstadt. Warum ein Teamwettkampf für eine Einzelsportlerin das größte Erlebnis der Karriere sein kann, erklärt die Bad Oldesloerin im Interview.

Hamburger Abendblatt:

Frau Görges, 22 Jahre nach dem bislang letzten Fed-Cup-Triumph steht Deutschland wieder im Finale. Ist Ihnen schon bewusst, was es bedeutet, Teil eines solch historischen Ereignisses zu sein?

Julia Görges:

Ich realisiere das von Tag zu Tag ein Stück mehr. Als wir am Sonntagabend in Prag ankamen, konnte ich es noch kaum glauben, ein Teil dieses Finales zu sein. Aber jetzt, da die Vorbereitung unmittelbar auf das Endspiel zuläuft, wird es immer reeller. Es ist für uns alle etwas ganz Besonderes, das erleben zu dürfen.

Was bedeutet diese Finalteilnahme für Ihre persönliche Karriere? Haben Sie als Kind davon geträumt, mal ein Fed-Cup-Finale zu spielen, oder stand da eher ein Grand-Slam-Titel ganz oben?

Görges:

Der Fed-Cup war immer ein Ziel, das aber sehr weit entfernt schien, als ich meine Profikarriere startete. Wir waren ja lange Jahre eine Fahrstuhlmannschaft, die immer auf- und wieder abgestiegen ist. Dass wir jetzt als erste Nation die Chance haben, als Aufsteiger den Titel zu holen, ist ein Traum, der hoffentlich in Erfüllung geht. Und für mich persönlich ist dieses Finale ein absolutes Highlight meiner bisherigen Karriere.

Fühlt es sich nicht sonderbar an, als Einzelsportlerin, die Sie sind, den größten Erfolg im Team zu feiern?

Görges:

Überhaupt nicht. Ich finde es toll, Teil dieses Teams zu sein. 2008 habe ich mein erstes Fed-Cup-Match bestritten, seitdem darf ich die Mannschaft begleiten, in diesem Jahr war ich bei allen drei Partien dabei. Besonders das Erlebnis im Halbfinale, als wir im April in Australien gewonnen haben, hat uns extrem zusammengeschweißt. So etwas prägt ungemein, weil man nicht mal eben so mitten in der Saison ans andere Ende der Welt fliegt und ein Finale erreicht.

Dieser Teamgedanke, den die Mannschaft glaubhaft ausstrahlt, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl – warum ist das in Ihrer Gemeinschaft derzeit so ausgeprägt?

Görges:

Der Hauptgrund dafür ist, dass wir von klein an zusammen aufgewachsen und diesen Weg gemeinsam gegangen sind. Als wir anfingen, hieß es doch: Im deutschen Damentennis ist nichts mehr los, die gewinnen gar nichts mehr. Das hat uns angespornt. Außerdem weiß jede, wie die anderen ticken und wie man sich zu nehmen hat. Und ganz wichtig: Alle haben akzeptiert, dass man im Team zurückstecken können muss. Wenn die andere besser ist, muss man das hinnehmen und lernen zu respektieren, dass die beste Leistung nur gemeinsam erbracht werden kann. Und das kann jede von uns.

Elf Freunde müsst ihr sein, hieß es früher beim Fußball. Sind Sie im Fed-Cup-Team allesamt Freundinnen?

Görges:

In diesem Business hat man nicht viele Freundinnen, und es ist auch nicht nötig, dass alle befreundet sind. Aber alle müssen sich respektieren, weil wir gemeinsam dasselbe Ziel verfolgen. Da müssen alle persönlichen Eitelkeiten zurückstehen, was bei uns im Team der Fall ist.

Aber wurmt es einen wirklich nicht, wenn man als Einzelsportlerin nicht auch im Einzel seinen Beitrag leisten kann? Nach der Nominierung von Sabine Lisicki ist Ihre Chance, Einzel zu spielen, noch einmal gesunken.

Görges:

Das mag sein, aber das stört mich wirklich überhaupt nicht. Ich bin glücklich dabei zu sein, egal auf welcher Position. Jede der Spielerinnen, die jetzt nominiert sind, hat ihren Teil zum Erfolg des Teams beigetragen, auch schon in den vergangenen Jahren. Deshalb hat jede von uns die Berechtigung in Prag anzutreten.

Barbara Rittner hat gesagt, die Nominierung für das Finale sei der härteste Moment ihrer Trainerkarriere gewesen. Hatten Sie Mitleid mit ihr?

Görges:

Mitleid? Warum? Ich denke, dass wir alle froh sein sollten, dass Barbara überhaupt die Möglichkeit hatte, für ein Finale zu nominieren. Da gehören harte Entscheidungen dazu, aber man sollte das genießen.

Welchen Anteil hat Rittner denn am Erfolg der Mannschaft?

Görges:

Einen sehr großen. Das, was wir erreicht haben, war nur möglich, weil Barbara uns als Menschen so gut kennt und sehr individuell mit uns arbeitet. Sie kümmert sich enorm um die Jugend und den Aufbau, davon haben wir alle profitiert.

Sie hat 1992 an der Seite von Steffi Graf und Anke Huber den letzten Fed-Cup-Titel nach Deutschland geholt. Können Sie die Geschichten von damals noch hören?

Görges:

Barbara hat uns noch überhaupt nichts erzählt von damals! Wir haben bislang auch noch keine Bilder von 1992 gesehen. Ich denke aber, das kommt sicherlich noch als besondere Motivation kurz vor Spielbeginn. Da lässt sich Barbara ja gern etwas Besonderes einfallen.

Angesichts der Fülle an Talenten, die ins Team drängen, stehen die Chancen gut, dass Deutschland nicht wieder 22 Jahre auf eine Finalteilnahme warten muss. Freuen Sie sich über Nachrücker wie Annika Beck und Mona Barthel, die in der Rangliste jetzt schon vor Ihnen stehen, und Carina Witthöft, oder fürchten Sie deren Konkurrenz?

Görges:

Ich freue mich sehr darüber, dass wir diese Fülle an guten Spielerinnen haben. Das Damentennis hat sich enorm entwickelt in den vergangenen Jahren. Ich bin überzeugt, dass ich heute besser spiele als vor zwei Jahren, als ich in den Top 20 der Welt stand. Ich bin natürlich froh, dass ich trotz meines derzeitigen Rankings im Team bin, denke aber, dass ich es mir durch die Leistungen über die vergangenen Jahre verdient habe. Mein Vorteil ist, dass ich viel Doppel spiele. Aber auch im Einzel kann ich Topspielerinnen schlagen, habe auch gegen Kvitova und Safarova schon gewonnen. Ich bin bereit, wenn man mich braucht.

Angelique Kerber hat die deutschen Siegchancen auf 50:50 beziffert. Sind Sie mit ihr einer Meinung?

Görges:

Ich denke, dass die Tschechinnen aufgrund ihrer Erfahrung mit Fed-Cup-Finals und dank ihres Heimvorteils leicht favorisiert sind, vielleicht mit 60:40. Aber wenn man jedes Einzelmatch betrachtet, stehen die Chancen spielerisch bei 50:50. Wir sind stark genug, den Titel zu holen!