Der Wimbledonsieger darf am Sonntag erstmals seine Ideen für die Zukunft des Verbands dem Bundesausschuss vorstellen. Dieser wählt am 16. November den neuen Chef

Hamburg. Eigentlich ist alles ausgemachte Sache. Am 16. November soll der Bundesausschuss des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), bestehend aus den Präsidenten der 18 Landesverbände (LV), auf der DTB-Mitgliederversammlung in Berlin als Nachfolger des freiwillig scheidenden Verbandschefs Karl-Georg Altenburg den bisherigen rheinland-pfälzischen LV-Präsidenten Ulrich Klaus inthronisieren. Darauf hatte sich der Bundesausschuss (BA) in zwei Sitzungen festgelegt – einstimmig zunächst im Juli, beim zweiten Mal im September mit einigen Gegenstimmen.

An diesem Sonntag nun treffen sich die 18 Landesfürsten im Hamburger Verbandszentrum in Horn ein drittes Mal, um ihre Entscheidung endgültig festzuzurren. Und längst scheint nicht mehr unmöglich, dass doch ein Kandidat ins Rennen geht, den ursprünglich niemand im BA haben wollte: Michael Stich. Der Wimbledonsieger von 1991 hatte seine Bereitschaft, Altenburgs Nachfolge anzutreten, auf Anfrage hochrangiger BA-Mitglieder mehrfach bekräftigt. Allerdings hieß es lange Zeit, der 46-Jährige habe seine Kandidatur an Bedingungen geknüpft, die nicht erfüllbar seien. Deshalb hatte sich der BA frühzeitig auf Klaus, dessen Konzept „Unser DTB“ Insider als recht inhaltsleer beschreiben, festgelegt.

Nun aber hat sich die Lage verändert, denn Stich, der ehrliches Interesse daran hat, den DTB „zum Wohle des deutschen Tennis“ zu reformieren, ist zu Zugeständnissen bereit. Der Mann, der als streitbarer Sturkopf in Teilen der Tennisszene berüchtigt ist, aber sportlich als unbestrittener Fachmann gilt und nicht zuletzt als Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum sein geschäftliches Geschick nachgewiesen hat, wäre bereit, auch als Vizepräsident im DTB mitzuarbeiten. Zudem besteht er nicht mehr darauf, seinen Geschäftspartner Detlef Hammer, mit dem er mittels der Agentur HSE das Rothenbaum-Turnier veranstaltet, als DTB-Geschäftsführer zu installieren. Auf eine Bezahlung seiner Tätigkeit pocht Stich allerdings weiterhin.

Als erste prominente Fürsprecherin hatte Bundestrainerin Barbara Rittner im Juli in einem Abendblatt-Interview den Kampf um den Elmshorner eingeläutet. Mit seinem beharrlichen Interesse an einem Posten im DTB-Präsidium hat Stich längst auch einen Teil der BA-Mitglieder auf seine Seite gezogen. Diese Gruppe will wenigstens die Chance nicht verstreichen lassen, Stich in die Verbandsarbeit einzubinden. An diesem Sonntag darf er deshalb zum ersten Mal seine Ideen vor dem BA präsentieren. „Ich freue mich, dass dieses Gespräch, um das ich seit Monaten ersuche, endlich zustande kommt, damit nicht nur über mich, sondern mit mir geredet wird“, sagte Stich. So könne er zum Beispiel die falsche Behauptung entkräften, er wolle die Macht der Landesverbände beschneiden.

Das Problem allerdings wird sein, dass ein guter Teil der BA-Mitglieder Stichs Einlassungen gar nicht hören wird. Da dessen erklärte Gegner nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ angekündigt hatten, Stichs Sitzungsausschluss per Eilantrag durchzusetzen, muss er seinen Vortrag eine Stunde vor Sitzungsstart halten, die Teilnahme daran ist freiwillig. Einige LV-Chefs haben ihr Fernbleiben bereits angekündigt. Die Zerrissenheit des Gremiums, das eigentlich einstimmig den neuen Präsidenten wählen wollte, stößt vielen Mitgliedern längst sauer auf.

Am Ende könnte dem DTB sogar das komplette Chaos drohen. Wenn Klaus, der durch sanften Druck seiner BA-Kollegen von der Kandidatur überzeugt werden musste, vom wachsenden Misstrauen gegen sein Konzept verärgert einen Rückzieher macht und Stich sich nach dem Gespräch mit dem BA seiner Illusionen, den Verband in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, beraubt sieht, dann stünde der Verband ohne Präsidentschaftskandidat da.