Die Hamburger Brüder Artem und Robert Harutyunyan gehen als Boxer getrennte Wege. 2016 wollen sie ihren größten Traum erfüllen und in Rio de Janeiro gemeinsam Olympiasieger im Boxen werden.

Hamburg. Sie teilen alles. Die Wohnung am Bundesstützpunkt in Schwerin. Ihren Trainer Michael Timm. Ihren Manager Raiko Morales. Sie haben gemeinsam eine Firma (hb-boxing.de) gegründet, um sich besser zu vermarkten. Und vor einigen Wochen haben sich Artem und Robert Harutyunyan auch noch gleichzeitig verlobt. Nicht mit derselben Frau, das wäre dann doch zu viel des Teilens, aber natürlich sollen die Hochzeiten im kommenden Jahr innerhalb einer Woche abgehalten werden.

Auch in ihrem größten Traum sind die in Armenien geborenen und seit 1991 in Hamburg aufgewachsenen Brüder vereint. 2016 wollen sie in Rio de Janeiro gemeinsam Olympiasieger im Boxen werden. Artem, 24, kämpft im Halbweltergewicht (bis 64 kg), der ein Jahr ältere Robert im Leichtgewicht (bis 60 kg). Auf ihrem Weg nach Brasilien werden sie sich allerdings in diesen Tagen zum ersten Mal trennen müssen, denn um sich zu qualifizieren, wollen sie unterschiedliche Anläufe nehmen.

Artem wird dabei Neuland betreten, als einer von nur sechs deutschen Boxern startet er in der neu gegründeten Profiserie des bisherigen Amateur-Weltverbands AIBA. Schon seit einigen Jahren sucht die AIBA nach Lösungen, um den vier bedeutenden Profi-Weltverbänden WBA, WBO, WBC und IBF das Geschäft zu beschneiden und die Abwanderung der besten olympischen Boxer ins lukrativere Profilager zu stoppen. Mit der APB-Serie (AIBA Professional Boxing) soll dies nun gelingen, denn ihr großes Plus liegt auf der Hand: War es bislang Berufsboxern verboten, um olympische Medaillen zu kämpfen, so dürfen APB-Teilnehmer nun die Vorzüge des professionellen Daseins – feste Börsen, feste Kampftermine, ausreichend Erholungsphasen – genießen, können sich aber trotzdem für Olympische Spiele qualifizieren. Die beiden besten Boxer jeder der zehn APB-Gewichtsklassen sind in Rio dabei.

„Für mich ist das ein toller Anreiz, dass ich das Profigeschäft kennenlernen, aber dennoch im olympischen Zyklus bleiben kann“, sagt Artem Harutyunyan. Natürlich, er musste sich für fünf Jahre an die AIBA binden und deren Vorgaben akzeptieren, die ihm beispielsweise die Teilnahme an Amateurturnieren untersagen. „Dafür kann ich mich gezielter auf meine Kämpfe vorbereiten und weiß, wann ich boxe und was ich dafür bekomme“, sagt er. Zu konkreten Vertragsinhalten darf sich keiner der Sportler äußern. Das Abenteuer APB beginnt für Artem am 24. Oktober, in seinem ersten Kampf trifft er auf den Bulgaren Boris Georgiew, 31. Weder gegen ihn noch gegen die anderen Starter in seinem Limit – Abdelkader Chadi (Algerien), Evaldas Petrauskas (Litauen), Juan Pablo Romero (Mexiko), Armen Sakarian (Russland), Carlos Daniel Aquino (Argentinien) und Wjatscheslaw Kislitsin (Ukraine) – hat er bislang gekämpft, „deshalb kann ich auch nicht realistisch sagen, was möglich ist, nur, dass ich alles geben werde, um den Titel zu holen“, sagt er. Gekämpft wird in der russischen Stadt Nowosibirsk.

Robert wird keine Zeit haben, seinen Bruder zu begleiten, er muss sich selbst auf sein Fortkommen konzentrieren. In dieser Woche tritt er bei den deutschen Meisterschaften in Straubing an, um sich mit einer starken Leistung für die EM- und WM-Turniere im kommenden Jahr zu empfehlen. In der Bundesliga gibt er sein Debüt für Nordhausen. Sein Hauptaugenmerk liegt allerdings auf der semiprofessionellen World Series of Boxing (WSB), die Ende Januar in die neue Saison startet. Robert ist im Kader der German Eagles eingeplant. Da sich die Finalisten der zehn Gewichtsklassen in der WSB ebenfalls für Rio qualifizieren und die Weltserie als weiteres Vorzeigeprodukt der AIBA auch für die in der APB engagierten Kämpfer offensteht, könnte es dort zur Wiedervereinigung der Harutyunyan-Brüder kommen. „Im Januar ist die APB-Saison vorbei, und wenn ich die Chance habe, in der WSB zu kämpfen, werde ich das tun“, sagt Artem.

Robert hofft dagegen, dass er sich über die WSB und die internationalen Turniere für die APB anbieten kann. Auch wenn sie getrennte Wege gehen müssen: In der Sache werden die Harutyunyans immer vereint sein.