Bundesliga-Aufsteiger setzt auf Trainer Stefan Hübner, eine neue Halle im Stadtzentrum und die örtliche Wirtschaft. Saisonetat: 320.000 Euro

Lüneburg. Dort, wo die Spielgemeinschaft Volleyball Gellersen (SVG) Lüneburg einmal stehen will, steht sie in diesem Moment, als bei der Vorstellung des Teams in der Ritterakademie eine Tabelle auf die Leinwand projiziert wird: ganz oben in der Bundesliga; zwar mit 0:0 Sätzen und null Punkten, aber das trifft neun Tage vor dem Saisonstart am 18. Oktober gegen den CV Mitteldeutschland aus Leuna auch auf alle anderen elf Mannschaften zu.

Zweimal hatte der Verein in den vergangenen drei Jahren als Tabellenzweiter der Zweiten Bundesliga Nord auf den Aufstieg verzichtet, sich sportlich, finanziell und strukturell nicht reif für den Klassensprung empfunden. Vor einem Jahr nun entschloss sich der Club, das Projekt Erste Liga systematisch anzugehen; mithilfe seines sportlichen Leiters und Co-Trainers Bernd Schlesinger, 55, im Hauptberuf Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein.

Der TuS Reppenstedt, der TSV Gellersen und die SVG Lüneburg gründeten eine Spielgemeinschaft, wurden neben zwei örtlichen Hauptsponsoren Gesellschafter der Spielbetriebs GmbH. Mit 320.000 Euro fällt der Saisonetat gegenüber Meister Berlin Volleys (1,6 Millionen Euro) und dem ehemaligen Champions-League-Sieger VfB Friedrichshafen (2,1 Millionen) zwar noch relativ bescheiden aus, aber er ist jetzt schon dreimal so hoch wie in Liga zwei.

„Wir sind damit in der Bundesliga voll wettbewerbsfähig“, glaubt Andreas Bahlburg, 55, der Vorsitzende. Ziel sei natürlich der Klassenerhalt. Ehrgeizige im Verein halten sogar Platz sieben oder acht für möglich. Mit sechs neuen Spielern wurde die Zweitliga-Mannschaft verstärkt, darunter vier Ausländer. Im Training wird deshalb derzeit Englisch gesprochen, spätestens Weihnachten soll auf Deutsch gewechselt werden.

Volleyball hat in und um Hamburg Tradition. Der Hamburger SV wurde in den 1980er-Jahren viermal deutscher Meister und Pokalsieger, schlug sich im Europapokal bis unter die letzten vier. Frank Mackerodt, 51, der heute für den Pay-TV-Sender Sky die deutsche Beachvolleyballserie organisiert, war damals Kapitän der besten deutschen Mannschaft. Mit dem Zwangsausschluss 1991 aus dem HSV begann die Geschichte der Volleyballpannen und -pleiten.

Der Nachfolgeverein 1. VC Hamburg wurde mit Trainer Schlesinger 1992 zwar noch mal Pokalsieger, meldete jedoch zwei Jahre später Konkurs an. Lizenznehmer 1. SC Norderstedt überstand nur die Bundesligasaison 1994/95, danach mussten auch dort die Netze abgebaut werden. Der Oststeinbeker SV wiederum schaffte mit Schlesinger 2005 und 2007 mit bescheidenen Mitteln zweimal den Aufstieg in die Bundesliga. Als die Hamburg Cowboys aber 2008 nach dem erneuten Abstieg für die nächste Saison nicht einmal mehr ein Budget von 100.000 Euro zusammenbekamen, gab der Club ebenfalls seine Ambitionen im Leistungssport auf.

Nun also die SVG Lüneburg. „Wir schielen nicht nach Hamburg, dort ist die Konkurrenz zu groß. Wir wollen es hier schaffen“, sagt Bahlburg. Weil Fußball in Lüneburg keine dominierende Rolle spielt, der Lüneburger SK kickt in der viertklassigen Regionalliga Nord, hoffen die Volleyballer auf Kieler Verhältnisse. Wie der dortige THW im Handball kann sich Bahlburg vorstellen, dass die Volleyballer einmal das sportliche Aushängeschild der Region werden – mit der nötigen Unterstützung der heimischen Wirtschaft. Am Mittwoch stellte der Vorsitzende das Projekt im örtlichen Rotary Club vor.

Die wichtigste Aufgabe ist zunächst der Bau einer bundesligatauglichen Halle. Die Politik will sie, sie könnte bis Ende 2016 im Zentrum Lüneburgs auf dem Gelände der Berufsbildenden Schulen entstehen und bis zu 2500 Zuschauern Platz bieten. Der jetzige Spielort, die Gellersenhalle in Reppenstedt, lässt offiziell nur 800 Besucher zu. Für die Bundesligapremiere am 18. Oktober sind bereits alle Sitzplätze vergriffen.

Star des Teams ist der neue Coach: Stefan Hübner, 39, ehemaliger Kapitän der deutschen Nationalmannschaft (245 Einsätze) und als deren Co-Trainer gerade WM-Dritter in Polen geworden. Für Hübner, den Schlesinger 1994 in Norderstedt zum Bundesligaspieler machte, ist es nach der TSG Solingen (2. Bundesliga) die zweite Station als Cheftrainer. „Die Bedingungen stimmen hier, und die Perspektive ist hochinteressant“, sagt Hübner. Dass bis auf einen alle Spieler regelmäßig am Training teilnehmen können, sei für ihn eine der Voraussetzungen gewesen, dieses Engagement anzunehmen. „Ansonsten hast du kaum eine Chance, eine Mannschaft weiterzuentwickeln.“ Lüneburg, sagt Hübner, habe er nicht als Durchgangsstation geplant, „wenn es meiner Frau (die ehemalige Weltklasse-Volleyballerin Angelina Grün, die Red.) und mir hier gefällt, und das ist bislang der Fall, kann ich mir sehr gut vorstellen, in Lüneburg etwas aufzubauen.“