Im Wassersportzentrum Allermöhe werden bis Sonntag die deutschen Rennsportmeisterschaften ausgetragen. Der Schwerpunkt der DM liegt allerdings nicht auf dem Leistungssport.

Hamburg. Sebastian Brendel, 26, kommt im Wohnwagen zur deutschen Meisterschaft, mit Frau und den zwei Kindern. Von wegen Luxushotel oder Elitesportschule. Der Kanu-Olympiasieger und -Weltmeister campiert seit Dienstag mit etwa 2000 anderen Sportlern, Trainern, Funktionären und Familienmitgliedern unmittelbar neben der Regattastrecke im Wassersportzentrum Allermöhe. „Ich freue mich darauf, mit der Familie ein paar schöne Tage in Hamburg zu verbringen“, sagt der 26-Jährige aus Potsdam: „Die DM ist für mich ja nicht Saisonhöhepunkt. Mir geht es um Spaß, nicht um Titel.“

An diesem Mittwoch werden die 93. deutschen Meisterschaften im Kanurennsport um 19 Uhr offiziell eröffnet. Laut Programm wird die Vierländer Erntekönigin Katharina Kollmann in Begleitung von Fahnenträgern einmarschieren, es gibt Musik, und Sportsenator Michael Neumann hält eine Rede. Dann soll Brendel interviewt werden. Nach 90 Minuten ist der offizielle Teil zu Ende, der Spaß geht richtig los.

„Eine Leistungsschau des gesamten Kanusports“ soll die Veranstaltung sein, sagt Thomas Konietzko, der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV). 1100 Aktive werden erwartet, vom Schüler bis zum Olympioniken, insgesamt 2500 Teilnehmer einschließlich aller Betreuer und Begleiter. Die allermeisten werden auf den Wiesen neben der Regattastrecke ihre Zelte und Wohnmobile aufschlagen. „Wir werden in dieser Woche der dichtest besiedelte Ort in Europa sein“, meint Veranstaltungssprecher Tiemo Krüger.

Binnen einer Woche wurde der Wassersportpark Allermöhe nach der Junioren-WM im Rudern für die Bedürfnisse der Kanuten umgebaut. Andere Messsysteme wurden installiert, mehr Bahnen geschaffen, andere Startanlagen. Die DM findet zum 13. Mal in Hamburg statt, öfter als an jeden anderen Ort, erstmals wieder nach 2007. „Wir sind gekommen, weil der DKV vor 100 Jahren in Hamburg gegründet wurde“, sagt Konietzko, „aber auch, weil die Bedingungen erstklassig sind.“

Brendel hat vor zwei Wochen bei der WM in Moskau als einziger Deutscher Gold gewonnen, über 1000 und 5000 Meter im Einerkanadier, dazu Silber über 500 Meter. Nur drei Medaillen gab es für die erfolgsverwöhnten Deutschen über die olympischen Strecken. „Es war eine Enttäuschung. Wir werden in Hamburg Gelegenheit haben, uns mit Trainern und Athleten über die Gründe auszutauschen“, sagt Konietzko.

Der Schwerpunkt der DM liegt allerdings nicht auf dem Leistungssport. „Ich persönlich fände es schöner, wenn die DM in der Saison stattfinden würde“, sagt Brendel. Aber weil auch die Jüngsten und der Nachwuchs teilnehmen sollen, liegt der Termin nach dem Leistungs- und Saisonhöhepunkt der Elite. Schulferien spielen eine Rolle, Zeit zur Vorbereitung.

Bei Brendel, der als Bundespolizist fast alles dem Leistungssport unterordnen kann, ist das anders. Vergessen hat der 1000-Meter-Olympiasieger von London seine eigenen Anfänge bei den deutschen Meisterschaften aber nicht. Er nimmt deshalb seine Vorbildrolle gerne ein: „Der Nachwuchs eifert mir ja auch nach und freut sich über Autogrammstunden und den Kontakt.“

Weltmeister Sebastian Brendel startet in Hamburg insgesamt siebenmal

In Hamburg steigt Brendel neben den Starts im Einer über 500 und 1000 Meter auch noch weitere fünfmal mit anderen Sportlern aus Potsdam im Zweier, dem Vierer und sogar dem Achter ins Boot. „In der Mannschaft zu fahren macht mir viel Spaß“, sagt er, „und die jungen Leute finden es klasse, wenn ich mit im Boot sitze.“ Am Mittwoch geht es um 8 Uhr mit den Vorläufen los. Am Freitag stehen die ersten Finals um 14 Uhr auf dem Programm, Sonnabend um 8.50 Uhr. Sonntag folgen die Langstreckenrennen. Donnerstag hat Sebastian Brendel wettkampffrei. Da nimmt er seine Frau und die Kids, verlässt den Campingplatz beim Wasser und erobert die Stadt: „Wir wollen Hamburg richtig kennenlernen.“