Eric Johannesen fragt sich, wofür die Stadt die Regatta-Strecke in Allermöhe für drei Millionen Euro aufwendig umbauen ließ. Der 25-Jährige wünscht sich endlich Spitzenwettkämpfe in seiner Heimat.

Hamburg. Montag ist der beste Tag, um sich mit Eric Johannesen zu verabreden. Montags ist trainingsfrei, na ja, vormittags zumindest. Er war stattdessen in der Bibliothek lernen, und am Nachmittag wird er wieder dort zu finden sein. Am Abend steht dann noch eine Krafteinheit auf dem Trainingsprogramm, das Karsten Timm, der Ruder-Bundestrainer am Bundesstützpunkt Ratzeburg/Hamburg, für ihn zusammengestellt hat.

Es sind wichtige Wochen für Johannesen. Die Vorlesungszeit neigt sich dem Ende zu, und nun geht es für ihn darum, das Gelernte so aufzuarbeiten, dass er es in den Klausuren umsetzen kann, um in seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens voranzukommen. Im Sport würde man in diesem Zusammenhang von der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung sprechen.

Im Sport aber befindet sich Johannesen, der Olympiasieger und Europameister im Achter, noch im Stadium des Grundlagentrainings. Gerade war er mit der Nationalmannschaft für zwei Wochen im Trainingslager in Süditalien. 450 Kilometer hat der Deutschland-Achter dort auf dem Wasser absolviert, Johannesen etwas weniger, weil ihn anfangs ein fiebriger Infekt außer Gefecht gesetzt hat. Trotzdem sei es eine gelungene Maßnahme gewesen: „Die Bedingungen waren sehr gut. Und die gemeinsame Zeit war sehr wichtig, damit die Mannschaft zueinanderfindet.“

Es ist ja nicht so, dass alles von selbst läuft, nur weil man alles gewonnen hat. Sechs der neun Goldmedaillengewinner von London sind noch dabei. Zuletzt kehrte Andreas Kuffner ins Team zurück, der Berliner hatte sich nach dem Olympiasieg eine Auszeit genommen. Ob er jetzt wie früher wieder Johannesens Zweierpartner wird, ließ Bundestrainer Ralf Holtmeyer offen. „Als erfahrene Athleten haben wir eine gewisse Vorbildfunktion im Team“, sagt Johannesen, „deshalb kann es sein, dass man uns jeweils mit einem Jüngeren im Team zusammensetzt.“

„Hauptsache im Achter, egal wo“

Dafür wird es Mitte April dann wohl auch nicht auf jede Zehntelsekunde ankommen, wenn die Nationalmannschaftsmitglieder ihre Form im Zweier nachweisen müssen. Johannesen, 25, gehört nach drei erfolgreichen Jahren zu denen, die sich als Stammkräfte im Deutschland-Achter fühlen dürfen. Daran hat auch seine Rückversetzung ins Mittelschiff nichts geändert. Den Europameistertitel Anfang Juni hatte der 1,93-Meter-Mann vom RC Bergedorf noch als Schlagmann errudert. Erst kurz vor der WM drei Monate später hatte Johannesen den wichtigsten Rollsitz wieder an Kristof Wilke abtreten müssen. Den Titel musste man dann den Briten überlassen.

Dass mit ihm am Schlag mehr als Silber herausgesprungen wäre, will Johannesen nicht behaupten. Allenfalls, dass die kurzfristige Umbesetzung „ein bisschen Unruhe ins Team gebracht“ habe. Es sei auch nicht so, dass er die Poleposition im Boot unbedingt zurückhaben wolle bei den Höhepunkten, der EM in Belgrad (30. Mai bis 1. Juni) und der WM in Amsterdam Ende August: „Mein Ziel ist, im Achter zu sitzen und die beste Leistung zu bringen, egal wo.“ Wobei er neue Herausforderungen noch nie gescheut habe. Und eine wertvolle Erfahrung seien die Rennen am Schlag für ihn allemal gewesen.

Die Gründe für die WM-Niederlage aber seien woanders zu suchen. Beim Trainingspensum, das im nacholympischen Jahr um 40 Prozent reduziert wurde, während die Briten weiter auf Maximalbelastung setzten. Und bei der zu verhaltenen Taktik: „Wir haben uns das Rennen nicht optimal eingeteilt, im Ziel hatten wir noch Reserven.“ Die einstige Stärke dieses Boots, sich nämlich auf einer Strecke von 2000 Metern keine Schwächephase zu erlauben, müsse man sich erst wieder erarbeiten.

Von Arbeit spricht Johannesen im Zusammenhang mit seinem Sport oft. Wer den Trainingsplan kennt, ahnt, warum. Er umfasst neun Rudereinheiten, wahlweise auf dem Wasser oder dem Ergometer, drei Krafteinheiten, zwei Athletikeinheiten – Laufen oder Radfahren – sowie zwei bis drei Einheiten Gymnastik. Pro Woche, versteht sich. Neben dem Studium, versteht sich.

Johannesen wünscht sich WM für Allermöhe

Für einen Ruderer sei das normal. Erst wenn er anderen von seinem Alltag erzähle, bei Vorträgen oder Firmenveranstaltungen, zu denen er immer noch gern eingeladen wird, dann merkt Johannesen an der Reaktion seiner Zuhörer, dass es ganz und gar nicht normal sei, zwei Leben in einem zu führen: „Die sind davon richtig fasziniert.“ Dabei ist er für einen Ruderer noch privilegiert. Von der Prämie für den Olympiasieg, insgesamt 15.000 Euro, ist zwar gerade schon die letzte Rate eingegangen. Dafür hat Johannesen private Förderer gewinnen können: den Obstriesen Dole und den Energiekonzern E.on Hanse.

Letzterer sponsert auch den AlsterCup, einen Rudersprint- und Schwimm-Event im Herzen Hamburgs. Eine gelungene Veranstaltung, findet Johannesen. „Aber ich frage mich, wofür eigentlich die Regattastrecke in Allermöhe aufwendig umgebaut wurde.“ Fast drei Millionen Euro hatte sich die Stadt die Maßnahmen kosten lassen mit dem Ziel, internationale Spitzenwettkämpfe auszurichten. Bislang aber blieb es bei einem Weltcup 2011. Im kommenden August findet auf der Dove Elbe die Junioren-WM statt. Dabei kann es für Johannesen nicht bleiben: „Ziel sollte sein, eine Weltmeisterschaft auszurichten.“ Diesen Anspruch dürfe eine Ruderstadt wie Hamburg ruhig haben.