Sieben Hamburger starten von Freitag an bei den Olympischen Jugendspielen in China. Der sportliche Wert des Turniers ist umstritten

Hamburg. Die Vorfreude eint sie, das ist klar. Aber wenn sie am Dienstagabend in Frankfurt am Main das Flugzeug nach China besteigen, um mit dem 84 Athleten umfassenden deutschen Aufgebot zu den Olympischen Jugendspielen in Nanjing (siehe Text links) zu fliegen, dann herrscht bei den sieben Hamburger Teilnehmern ein weiteres Gefühl deutlich vor: Ungewissheit. Angesichts von mehr als 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und der in chinesischen Großstädten chronisch verschmutzten Luft wissen die jungen Sportler nicht, wie ihre Körper auf die Belastungen reagieren werden. „Ich bin konditionell fit, aber ich mache mir Sorgen, dass es zu extrem wird“, sagt Anna Jeltsch.

Die 17-Jährige vom Klipper THC ist die einzige Hamburger Starterin, und für sie und ihre Hockeykollegen Anton Körber (17, Uhlenhorster HC), Felix Schneider (18, UHC), Lucas Lampe (18, Harvestehuder THC) und Jannick Rowedder (18, Club an der Alster) könnte das Turnier, das mit je zehn Teams in je zwei Fünfergruppen ausgetragen wird, noch viel mehr Unwägbarkeiten mit sich bringen als nur extremes Wetter. Gespielt wird nämlich im vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eingeführten und vom Weltverband FIH unterstützten Spielsystem Hockey 5 mit nur vier statt zehn Feldspielern. Dieses wurde vom Deutschen Hockey-Bund (DHB) nach einer Testphase in der vergangenen Hallensaison als untauglich befunden und deshalb sofort wieder abgeschafft. In Nanjing wird es dagegen auf einem halben Hockeyfeld gespielt, es darf von überall geschossen werden statt nur aus dem Schusskreis, und der Torhüter darf bis zur Mittellinie mitspielen. „Das wird eine extreme Umstellung, weil ich mich am Schusskreis orientiere. Wir fühlen uns schon etwas als Versuchskaninchen“, sagt Torhüter Rowedder.

Die Fixierung auf Hockey 5 ist allerdings der Hauptgrund dafür, dass die fünf Hamburger überhaupt in China dabei sein dürfen. Weil der DHB die Spielform ablehnt, schickt er keine Akteure aus seinen Auswahlteams zu den Jugendspielen. Die Kandidaten konnten sich bewerben, aus rund 75 Bewerbungen wurden je 15 Kandidaten Anfang Mai zu einem Lehrgang nach Köln eingeladen, aus dem sich dann die Neunerkader herausbildeten. Neben der sportlichen Qualifikation zählte auch soziales Engagement, alle fünf Hamburger sind in ihren Clubs Jugendtrainer, zu den Nominierungskriterien. Die Teams haben in ihrer aktuellen Form nie zusammengespielt, sportliche Ziele zu formulieren ist deshalb schwierig, auch weil andere Nationen wie die Niederlande oder China sehr wohl ihre U18-Auswahlmannschaften antreten lassen.

Angesichts solcher Diskrepanzen ist es kaum verwunderlich, dass der sportliche Wert der Jugendspiele stark umstritten ist. Viele Funktionäre halten sie für überflüssig, die jungen Sportler würden unnötig verheizt. Eine Heranführung an Olympische Spiele sei nicht notwendig. Ingrid Unkelbach, Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein, sagt: „Die Jugendspiele sind kein Zielwettkampf.“ Sie seien unerheblich für die Einteilung der Kader und die Sportförderung.

Es gibt allerdings auch Verbände, die das anders sehen. So ist Superschwergewichtler Peter Kadiru, der bei der SV Polizei aufwuchs und seit Februar am Schweriner Bundesstützpunkt lebt und trainiert, der einzige deutsche Boxer in Nanjing, weil nur er als aktueller U19-Vizeweltmeister die hohe Qualifikationshürde nahm. „Peter ist ein Topathlet, der sich in den vergangenen Monaten großartig entwickelt hat. Unser Ziel ist die Goldmedaille“, sagt Trainer Michael Timm, einst als Weltmeistermacher beim ehemaligen Hamburger Profistall Universum aktiv, über den 17 Jahre alten Sohn ghanaischer Eltern. Und auch Ruderer Tim Ole Naske (siehe Aufmacher oben) geht immerhin als aktueller Einerweltmeister ins Rennen.

Die Sportler selbst ficht die Diskussion um die Qualität des Turniers sowieso nicht an. Spätestens seit der Einkleidung am 31. Juli in München, wo man vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Team eingeschworen wurde, ist allen bewusst, dass sie ihr Land bestmöglich vertreten müssen. „Den Adler auf der Brust zu tragen macht einen schon stolz“, sagt Anton Körber. Und dieses Gefühl, das wollen sie in den kommenden Wochen einfach nur genießen.