Ein Kommentar von Carsten Harms

Die harschen Reaktionen auf seine Entscheidung, den gerade zum deutschen Weitsprung-Meister gekürten Markus Rehm nicht für die Europameisterschaft in Zürich zu nominieren, hätte sich der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) leicht ersparen können. Er hätte den bundesweit als „Prothesen-Springer“ bekannt gewordenen Rehm nach Zürich schicken und dort dem europäischen Verband EAA oder Weltverband IAAF überlassen können, wie man mit Rehm oder anderen Sportlern umzugehen gedenkt, die ein körperliches Handicap mit einem künstlichen Ersatzteil auszugleichen versuchen. Insofern ist anzuerkennen, dass der DLV keinen bequemen Weg gegangen ist.

Das ist aber auch nahezu schon alles, was in diesem Fall dem Verband an Positivem zuzugestehen ist. Im Nachhinein liegt nämlich der Verdacht nahe, der DLV habe sich bei den Meisterschaften in Ulm für seine vermeintlich vorbildliche Inklusionspolitik feiern lassen wollen, aber dabei gehofft, dass Rehm aufgrund seiner Platzierung jenseits der ersten drei ohnehin nicht für eine Medaille und den EM-Kader infrage komme. Doch hier hat sich der DLV verzockt und ist nun mit der Nichtnominierung Rehms in den Augen vieler innerhalb weniger Tage vom Wohltäter zum Buhmann mutiert. Eine seriöse Untersuchung darüber, ob Rehm mit seiner Unterschenkel- und Fußprothese womöglich einen Vorteil gegenüber seinen nicht gehandicapten Konkurrenten habe, hätte schon vor dem Wettkampf von Ulm erfolgen müssen. Das hätte viele hitzige, auch emotional geprägte Wortgefechte und Enttäuschungen verhindern können.