ATP-Chef Chris Kermode über die Bedeutung des Rothenbaum-Turniers und seine Hoffnungen für das deutsche Tennis

Hamburg. Zu Hause in England war Chris Kermode in diesem Jahr so gut wie nie. Seit Januar 2014 ist der 49-Jährige Präsident der Herrentennisorganisation ATP, und seitdem reist er durch die Welt, um sich einen Überblick über die Turniere zu verschaffen, die unter der Ägide der ATP ausgetragen werden. Am Montag stand für den Ex-Profi und langjährigen Turnierdirektor des ATP-Tourfinals in London deshalb der Hamburger Rothenbaum auf seinem Programm, und zwischen diversen Terminen nahm sich Kermode Zeit für ein Gespräch mit dem Abendblatt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Kermode, auch wenn Sie nur einen Tag Zeit für Hamburg hatten, wie ist Ihr Eindruck von diesem Turnier?

Chris Kermode:

Es war ja nicht mein erster Besuch, ich kenne Hamburg schon aus den Zeiten, als es ein Mastersturnier war. Der Rothenbaum hat eine solch große Tradition in einem Land, das eine beeindruckende Tenniskultur besitzt. Deshalb ist es ein unheimlich wichtiges Turnier für die ATP.

Das wurde zuletzt nicht immer so kommuniziert. 2013 hieß es vonseiten des Deutschen Tennis-Bundes, dass die ATP gedroht habe, Hamburg von 2018 an aus dem Kalender zu streichen, wenn es nicht den Belag von Sand auf Rasen ändern würde. Gab es diese Drohung?

Kermode:

Davon habe ich definitiv noch nie gehört, und es gibt von unserer Seite solche Drohungen nicht. Wir haben im Zuge der Ausweitung der Rasensaison von 2015 an mit vielen Veranstaltern gesprochen, und in Deutschland hat sich letztendlich Stuttgart dazu bereit erklärt. Das ist eine großartige Sache, die wir sehr unterstützen. Aber das heißt nicht, dass andere Turniere davon einen Nachteil haben.

Wie würden Sie denn Hamburgs derzeitigen Status beschreiben, und was gilt in der Zeit nach 2018?

Kermode:

Was nach 2018 ist, kann ich nicht sagen, das gilt aber für jedes unserer 61 Events in 31 Ländern. Wir werden 2015 alle Turniere einer gründlichen Untersuchung unterziehen und gucken, wo wir Veränderungen vornehmen müssen. Unser Plan ist, bis 2018 die Preisgelder verbindlich festzulegen und den Kalender aufzustellen, damit die Veranstalter langfristig planen können.

Welche Rolle spielt Turnierdirektor Michael Stich für den Rothenbaum?

Kermode:

Er hat einen unglaublichen Job gemacht, als er das Turnier übernommen hat, als es am Boden lag, und es zu dem gemacht hat, was es heute wieder ist. Ich erlebe ihn in Meetings mit europäischen Turnierdirektoren als einen sehr kreativen und innovativ denkenden Menschen. Er ist genau der Richtige für dieses Turnier, weil er verstanden hat, dass Sport immer auch Entertainment bieten muss.

Zum Entertainment gehören Topspieler, die kommen jedoch immer seltener nach Hamburg, weil sie nicht mehr startverpflichtet sind und daher viel Geld kosten. Die ATP hat jetzt die Kompensationszahlungen abgeschafft, wenn nicht die garantierte Anzahl an Top-20-Spielern antritt, zudem wurde das Preisgeld erhöht. Was kann die ATP im Gegenzug tun, um die Veranstalter besser zu unterstützen?

Kermode:

Unser Anspruch ist, jedes unserer Turniere stärker und attraktiver zu machen, gleichzeitig müssen wir den Bedürfnissen der Spieler gerecht werden, die mehr Pausen wollen. Meine Aufgabe ist es, beiden Seiten die Probleme des anderen verständlich zu machen. Als Spieler hat man nicht die fundierte Kenntnis vom Geschäft wie ein Turnierdirektor, als Veranstalter sieht man vielleicht zu sehr die wirtschaftliche Seite. Dadurch dass ich beide Seiten aus eigener Erfahrung kenne, sehe ich mich als Vermittler. Und ich versuche gerade herauszufinden, was wir tun können, um allen gerecht zu werden. Wenn man ein Turnier streicht oder herabstuft, hängen da auch immer Jobs dran. Das muss man bedenken, bevor man weitreichende Entscheidungen fällt. Deshalb reise ich auch so viel, um mir alles genau anzuschauen.

Tennis entwickelt sich weltweit sehr gut, in Deutschland aber ist es in der Nische verschwunden. Verliert Deutschland seinen Status als wichtiger Markt der ATP?

Kermode:

Deutschland ist nach wie vor ein wichtiger Markt für uns. Deutschland hatte eine goldene Ära, danach ist es immer schwierig, aber irgendwann kommt wieder ein Topspieler aus dem Nichts. Ich bin ein großer Anhänger der Tradition. Natürlich wollen wir auch weiter in den neuen, wachsenden Märkten, wie zum Beispiel in Asien oder im arabischen Raum, Fuß fassen. Aber man darf nicht nur das schnelle Geld sehen.