Bei der Hockey-WM in den Niederlanden müssen die deutschen Damen und Herren in ihren Spielen am Pfingstsonntag dringend Punkte holen, um das Halbfinale nicht endgültig zu verspielen.

Den Haag. Am Tag nach dem schwarzen Freitag gingen die deutschen Hockeyteams auf Tauchstation. Köpfe frei bekommen für die entscheidenden WM-Gruppenspiele am Pfingstsonntag, so lautete die Devise, die die Bundestrainer ausgegeben hatten. Doch trotz der Enttäuschung, die die Niederlagen hinterlassen hatten – die Damen waren gegen Titelverteidiger Argentinien mit 0:3 unter die Räder gekommen, die Herren hatten unglücklich 0:1 gegen Gastgeber Niederlande verloren –, regierte eine Mischung aus Trotz und Entschlossenheit. Die Halbfinalteilnahme haben beide Mannschaften noch nicht aufgegeben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Herren am Sonntag (10.30 Uhr) gegen Neuseeland und die Damen vier Stunden später gegen die USA punkten.

Beherrschendes Thema im Lager der Herren war am Freitagabend die Abschlussschwäche gewesen. Nach einer schwachen ersten Halbzeit, in der sich die Auswahl von Bundestrainer Markus Weise bei Torhüter Nico Jacobi vom Uhlenhorster HC bedanken durfte, dass es statt 0:1 nicht 0:4 stand, hatte sich der Olympiasieger in der zweiten Hälfte eine Reihe bester Torchancen erarbeitet, diese aber in einer Mischung aus Pech und Unvermögen allesamt vergeben. Der Gipfel war die Strafecke nach Ablauf der Spielzeit, die verstoppt wurde. „Wenn man gegen die Niederlande nur ein Tor kassiert, ist das eine Superleistung. Aber wenn man dann keins schießt, kann man eben nicht punkten“, sagte Welthockeyspieler Tobias Hauke vom Harvestehuder THC.

Die zweite Pleite nach dem 0:1 gegen Argentinien vom Dienstag rief die Statistiker auf den Plan. Niemals zuvor in der seit 1971 fortgeschriebenen WM-Geschichte war ein deutsches Herrenteam bei einer WM in zwei Spielen hintereinander ohne Torerfolg geblieben. Zwei Niederlagen in Serie gab es letztmals 1994, als in Sydney Halbfinale und Spiel um Platz drei verloren gingen und dadurch letztmals eine WM ohne Medaille abgeschlossen wurde. Das Halbfinale verpasste Deutschland nur bei der Premierenveranstaltung 1971, damals noch auf Naturrasen. „Immerhin haben wir uns, anders als gegen Argentinien, klare Chancen erspielt, es ist also eine Entwicklung zu sehen. Aber es wäre schon hilfreich, wenn wir mal ein Tor schießen würden“, sagte Bundestrainer Weise in der ihm eigenen sarkastischen Art.

Die Gründe für die Torschusspanik liegen auf der Hand. Für jeden ersichtlich ist das deutsche Team nach einer Vorbereitung mit vielen Verletzten und beruflich verhinderten Spielern nicht auf seinem maximalen Leistungsstand. Die fünf bis zehn fehlenden Prozente an körperlicher Fitness wirken sich auf dem hohen Niveau, auf dem die WM gespielt wird, vor allem auch in der Konzentrationsfähigkeit aus. Weise ist klug genug, das nicht als Ausrede zuzulassen, um seinen Spielern kein Alibi zu geben. „Aber jeder sieht, dass wir momentan nicht auf dem Niveau sind, um die Teams aus der Weltspitze schlagen zu können. Unser Tabellenplatz spiegelt das wider. Dennoch suche ich mir jetzt keinen Baum, um mich aufzuhängen“, sagte er.

„Die nächsten Spiele werden zeigen, ob wir Charakter haben“


Dass die Halbfinalteilnahme dennoch möglich ist, lag auch daran, dass Argentinien Neuseeland 3:1 besiegte und damit verhinderte, dass die „Kiwis“ gemeinsam mit den Niederländern in der Gruppe B mit neun Punkten aus drei Spielen vornewegmarschieren konnten. Gelingt am Sonntag ein Sieg gegen Neuseeland, hätte man die „Black Sticks“ aufgrund des Torverhältnisses eingeholt und könnte, einen Sieg gegen Südkorea zum Gruppenabschluss am Dienstag (13 Uhr) vorausgesetzt, darauf hoffen, dass die Argentinier aus ihren zwei letzten Spielen gegen Südkorea und Südafrika keine zwei Siege holen. Die Niederlande, die noch gegen Südkorea und Neuseeland spielen, dürften bei sechs Zählern Vorsprung nicht mehr einzuholen zu sein. „Mir ist es scheißegal, wie die anderen spielen“, sagte Weise, „wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Deshalb gucken wir nur auf unsere Spiele.“

Das ist auch die Einstellung, die Weises Damen-Pendant Jamilon Mülders seinem Team verordnet hat. Der Coach hatte in den vergangenen Tagen alles dafür getan, um die Erwartungshaltung, das Erreichen des Halbfinales sei das vorgegebene Turnierziel, zu dämpfen. Die Partie gegen Argentinien unterstrich, was Mülders meinte. Die Mannschaft ist spielerisch nicht reif genug, um sich mit der Weltspitze messen zu können. Dennoch ist das Erreichen des Semifinales durchaus möglich, sollte am Sonntag ein Sieg gegen die starken US-Amerikanerinnen gelingen. Diese liegen, gemeinsam mit Argentinien, mit sieben Punkten und damit drei Zählern Vorsprung vor Deutschland und China. Das Torverhältnis spricht zwar klar für die beiden Gruppenanführer, dennoch könnten die Deutschen bei einem Sieg zum Abschluss gegen die erschütternd schwach auftretenden und noch punktlosen Engländerinnen die USA oder Argentinien noch überflügeln, sofern beide Punkte liegen lassen.

„Die nächsten Spiele werden zeigen, ob wir Charakter haben“, sagte Abwehrchefin Tina Bachmann. Tatsächlich hatte das Team in der Partie gegen Argentinien in der zweiten Halbzeit resigniert gewirkt. „Wir schaffen es leider bislang nicht, das aufs Feld zu bringen, was in der Vorbereitung so gut geklappt hat, und wir wissen nicht, warum das so ist“, sagte UHC-Angreiferin Lisa Altenburg, die gegen „Las Leonas“ als eine von wenigen Gegenwehr gezeigt und Torgefahr ausgestrahlt hatte.

Auch die Damen sind, ausgelaugt vom langen Ligabetrieb in Deutschland, nicht auf der Höhe ihrer Kraft, einige Spielerinnen hatten zudem in diesen Tagen unter einem Magen-Darm-Infekt zu leiden. Mülders will das jedoch nicht als Ausrede gelten lassen. „Die Mädels machen, gemessen an den Voraussetzungen, die andere Teams haben, einen tollen Job. Jetzt gucken wir, was in den letzten beiden Spielen rauskommt, und wenn es nur zu Platz drei oder vier in der Gruppe reicht, dann werden wir trotzdem weiterspielen.“