Luciana Aymar, achtmalige Welthockeyspielerin, ist in Argentinien ein Superstar. Im Abendblatt-Interview spricht die 36-Jährige über das WM-Gruppenspiel gegen Deutschland und ihre Rücktrittspläne.

Den Haag. Um ein Interview mit Luciana Aymar zu bekommen, reicht es nicht, eine einfache Anfrage an den argentinischen Hockeyverband zu richten. Man braucht vielmehr das Glück, jemanden zu kennen, der Aymar kennt und einen direkten Kontakt herstellen kann. Und dann braucht es immer noch mehrere Tage und eine Reihe kurzfristig verschobener Anläufe, bis sie tatsächlich vor einem sitzt, die Frau, die in ihrer Heimat ein Superstar ist. Die als „Maradona des Hockeys“ bezeichnet wird und mit „Las Leonas“ an vier Olympischen Spielen und fünf Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Die laufenden Titelkämpfe in den Niederlanden, die Argentinien in Vorrundengruppe B an diesem Freitag (16 Uhr) mit der deutschen Auswahl zusammenführen, sind definitiv die letzten für die 36-Jährige, die ihre Karriere zum Jahresende auslaufen lässt. Darüber und über die Höhepunkte ihrer Laufbahn spricht die ausnehmend freundliche und geduldige achtmalige Welthockeyspielerin im Abendblatt-Interview.

Hamburger Abendblatt: Frau Aymar, wie häufig werden Sie in diesen Wochen gebeten, Ihren Rücktritt doch noch einmal zu überdenken?

Luciana Aymar: Jeden Tag mehrmals! Ich finde es wirklich nett, dass sich so viele Menschen um meine Zukunft Gedanken machen. Aber meine Entscheidung steht fest, es ist definitiv meine letzte Weltmeisterschaft.

Wenn man Ihr Team hier spielen sieht, hat man schon den Eindruck, dass Sie noch gebraucht werden. Können Sie es guten Gewissens im Stich lassen?

Aymar: Auf jeden Fall, Argentinien hat viele großartige Spielerinnen, da mache ich mir wirklich keine Sorgen. Sie werden wahrscheinlich das System etwas umstellen, weil sie mich nicht mit einer einzigen Spielerin ersetzen wollen, sondern im Kollektiv. Aber wir werden auch in Zukunft eine starke Mannschaft haben.

Die Begeisterung der Menschen, die Sie überall auf der Welt feiern, wird Ihnen sicherlich fehlen. Wie nehmen Sie den Rummel um Ihre Person wahr?

Aymar: Mit großem Stolz. Ich fühle mich unheimlich geehrt, dass so viele Menschen kommen, um mir beim Hockeyspielen zuzuschauen. Hockey ist meine größte Leidenschaft, und dass mich so viele Fans dafür lieben, wie ich es spiele, macht mich sehr glücklich.

Sie haben fünf Weltmeisterschaften und vier Olympische Spiele absolviert. An welches Turnier erinnern Sie sich am liebsten zurück?

Aymar: An die WM 2002 in Perth, als ich meinen ersten Titel gewonnen habe. Und an die letzte WM in Rosario, als wir in der Heimat Weltmeister geworden sind. Das waren zwei ganz spezielle Momente in meiner Karriere.

Welchen Stellenwert hat diese WM in Ihrer Karriere?

Aymar: Einen besonderen natürlich, immerhin ist es meine letzte. Damit schließt sich ein Kreis, denn meine erste WM war 1998 ebenfalls in den Niederlanden. Ich habe hier immer besonders gern gespielt, weil man spürt, dass Hockey in Holland gelebt wird. Ich habe viele Freunde hier und genieße es sehr, dass ich noch einmal für sie spielen kann.

Sie haben in Holland auch in der Liga gespielt, ebenso in Spanien und ein paar Monate auch für Rot-Weiß Köln in der Bundesliga. Wo haben Sie am meisten für Ihre Karriere gelernt?

Aymar: In Argentinien! Ich habe die Erfahrungen im Ausland als sehr wichtig empfunden. In Köln habe ich bei einer sehr netten Gastfamilie gewohnt, die Spanisch sprach und mir sehr geholfen hat. Aber in Argentinien habe ich mich trotz allem immer am wohlsten gefühlt, dort habe ich auch immer am besten trainiert. Es ist einfach meine Heimat. Deshalb habe ich auch vor vier Jahren entschieden, keine Ligaspiele mehr zu machen, sondern nur noch für die Nationalmannschaft zu trainieren, und das ging am besten in Argentinien.

Bei dieser WM läuft es bislang noch nicht ganz rund, Sie haben zuletzt nur ein 2:2 gegen die USA geschafft. Warum werden Sie Ihren Titel trotzdem verteidigen?

Aymar: Ob wir das schaffen, bleibt abzuwarten, es ist aber unser Ziel. Fakt ist, dass es eine Reihe an Teams gibt, die es schaffen können, die Niederlande natürlich, aber auch Australien, Deutschland, England, die USA. Das Niveau in der Weltspitze ist sehr hoch, und die Spitze ist breiter geworden.

Haben Sie auch das Gefühl, dass Damenhockey immer athletischer wird? Und ist das ein Nachteil für technische Ausnahmekönner wie Sie?

Aymar: Dass Hockey immer athletischer, immer körperbetonter wird, sehe ich genauso. Wenn ich das heutige Niveau mit dem von 1998 vergleiche, dann ist das ein unglaublicher Unterschied. Ob das ein Nachteil für mich ist? Ich denke nicht. Die besten Teams brauchen beides, Athletik und Technik. Wer das am besten vereint, gewinnt den Titel.

Um das Halbfinale zu erreichen, wäre am Freitag ein Sieg gegen Deutschland wichtig. Wie schätzen Sie das deutsche Team derzeit ein?

Aymar: Sie sind stark, haben einige neue, junge Spielerinnen, die mich beeindrucken. Wir müssen sehr konzentriert und an unserem Limit spielen, wenn wir sie besiegen wollen.

Argentiniens Herren haben es vorgemacht, wie man Deutschland schlägt. Deren 1:0-Sieg am Dienstag war eine Überraschung. Entsteht da eine neue Hockeymacht? Profitieren die Herren gar davon, wenn Sie abtreten, weil sie mehr in den Fokus rücken?

Aymar: Der Sieg gegen den Olympiasieger war ein historischer Moment für das Herrenhockey in Argentinien, keine Frage. Ich glaube aber nicht, dass mein Rücktritt irgendwelche Folgen für die Herren hat. Vielmehr tut es ihnen gut, dass Sie jetzt professionell trainieren, mehrmals am Tag und nicht nur dreimal pro Woche wie früher. Noch ist Herrenhockey in der Heimat nicht so populär wie wir Damen, aber mit Erfolg wächst natürlich das Interesse.

Die Herren haben hier bei der WM den gleichen Coach wie Sie. Dass Carlos Retegui beide Teams betreut, hat für großes Aufsehen gesorgt. Wie nehmen Sie das wahr?

Aymar: Es ist auch für uns keine normale Situation. Aber das vergangene Jahr war etwas verrückt in Argentinien, wir hatten drei Trainerwechsel bei den Damen, und als dann vier Monate vor der WM kein Coach da war, hat Carlos sich bereiterklärt. Es funktioniert sehr gut, manchmal trainieren wir auf dem gleichen Platz, so dass er beide Teams zeitgleich coachen kann. Er hat aber auch viel Hilfe, unser Trainerstab ist recht groß. Wir machen das Beste aus der Situation.

Wann sehen wir Sie denn als Nationaltrainerin Argentiniens?

Aymar: Oh, niemals, auf keinen Fall. Trainer zu sein wäre nichts für mich.

Was werden Sie denn in Zukunft tun?

Aymar: Ich werde mir ein Jahr Auszeit nehmen, um herauszufinden, was ich tun möchte. Ich freue mich schon darauf, die Dinge zu tun, die ich wegen des Hockeys vernachlässigt habe.

Aber Sie werden Ihrem Sport doch nicht komplett den Rücken kehren!

Aymar: Nein, ich werde immer beim Damenteam sein, auch wenn ich keine Funktion habe. Ich habe ja auch meine Hockeyschule in der Heimat, und ich habe mir vorgenommen, meine Popularität dafür zu nutzen, um das Hockey weiter nach vorn zu bringen. Ich werde mich zum Beispiel dafür einsetzen, dass alle unsere Spiele im Fernsehen gezeigt werden und nicht nur die bei wichtigen Turnieren. Da gibt es noch viel zu tun.

Was, denken Sie, werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie aufhören?

Aymar: Meine vielen Freunde, mit denen ich jetzt jeden Tag zusammen bin. Und die Routine, das tägliche Training, den geregelten Tagesablauf. Das dürfte eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.

Und wie planen Sie Ihren Abschied? Gibt es ein Abschiedsspiel?

Aymar: Im Moment denke ich, dass ich die Champions Trophy im Dezember in Mendoza noch spielen werde. Das wäre ein schöner Moment, um den Fans in der Heimat Auf Wiedersehen zu sagen. Ich plane aber auch ein paar Abschiedsspiele, zu denen Wegbegleiterinnen aus allen Ländern, gegen die ich gespielt habe, kommen sollen. Ich möchte mich einfach würdig von allen verabschieden. Und ich weiß schon jetzt: Ich werde sehr viel weinen!