Nisse Lüneburg aus Schleswig-Holstein reitet in Klein Flottbek im Stechen zum Sieg im 85. Deutschen Spring-Derby

Hamburg. Es war ein Triumph der Extraklasse. Eine Ehrenrunde war schon absolviert, da dirigierte Nisse Lüneburg seinen dunkelbraunen Wallach Calle Cool um und galoppierte entgegengesetzt los. Auch auf den vollbesetzten Tribünen gab es kein Halten mehr: Applaus satt für ein Gespann, das nach 2012 erneut das Kunststück vollbrachte, fehlerlos über den Parcours zu kommen und das 85. Deutsche Derby im Stechen zu gewinnen. Immer wieder reckte der 25-jährige Schleswig-Holsteiner die rechte Faust nach oben. Das Blaue Band des Besten flatterte im Wind. So sehen Sieger aus.

Beeindruckend war auch die Nervenstärke, mit der Lüneburg auf dem zweitältesten Pferd alles wagte und gewann. Mit 51,45 Sekunden legte er im Stechen mit dem 17 Jahre alten Holsteiner eine bravouröse Zeit vor. Und als sein Rivale Andre Plath aus Mecklenburg nach ebenfalls fehlerfreiem Durchgang mit Cosmic Blue gleich am ersten Hindernis des Stechens patzte, war die Entscheidung gefallen. Drei Reiter mit je vier Strafpunkten teilten sich die Plätze. Zeitschnellster von ihnen war Lüneburgs Stallkollege Carsten-Otto Nagel mit Lex Lugar, die Derby-Sieger von 2010. Früher hatte Nagel selbst Calle Cool geritten, den Wallach dann jedoch in Nisse Lüneburgs Hand gegeben. Bester ausländischer Reiter im 31-köpfigen Derby-Feld wurde der Ire Shane Breen als Sechster. Sein Landsmann Michael Duffy, souveräner Sieger der beiden Qualifikationen, hatte dagegen kurzfristig gepasst. Der Besitzer seiner Fuchsstute Westland Ruby hatte sich so entschieden. Nicht jeder verstand und akzeptierte diese publikumsunfreundliche Aktion.

So blieben 94.500 der insgesamt 100.000 Euro Preisgeld im Lande. Ein Viertel davon gewann der alte und neue Champion Nisse Lüneburg. „Calle Cool hat riesig gekämpft und alles für mich getan“, sagte er nach der Siegerehrung, die von Hamburgs Sportsenator Michael Neumann (SPD) vorgenommen wurde. „Man hat gespürt, wie das Pferd wollte.“ Dem stimmte Sportchef Paul Schockemöhle zu: „Nisse war super vorbereitet und hat in jeder Sekunde alles im Griff gehabt.“ Schockemöhle sprach sogar von einem „Kaviarbrötchen der Reiterei“ und befand: „Dieser Auftritt war nahe der Vollendung.“

Ähnliches Lob erntete das Publikum. Insgesamt kamen 84.700 Besucher, 3000 mehr als beim Rekord des Vorjahres. „Die Zuschauer haben genauso beeindruckt wie Nisse Lüneburgs Bravourritt“, stellte der zweimalige Derby-Sieger Achaz von Buchwaldt anerkennend fest. „Der junge Mann ist geritten wie ein alter Profi.“ Lüneburg selbst bezeichnete die Begeisterung im Derby Park als „Gänsehautstimmung“. Bestätigung erfolgte von Senator Neumann: „Dieses Derby ist eine Riesenvisitenkarte für Hamburg. Es schmückt unsere Stadt.“

In der Tat bildete das Publikum den würdigen Rahmen für ein auch sportlich rundum geglücktes Großereignis. Dazu trugen das passende Wetter, eine reibungslose Organisation, starke Außenseiter mit Überraschungssiegen ebenso wie der teilweise neu gestaltete Ausstellungsbereich und ein attraktives Kinderland bei. Dramaturgisch geschickt eingewebte Aktionen wie der emotionale Abschied von Janne Friederike Meyers Pferd Cellagon Lambrasco zogen die Menschen in den Bann. Wann sangen schon mal alle gemeinsam „In Hamburg sagt man Tschüss“ und schwenkten dabei weiße Papiertaschentücher? Auch das Speed Derby war wieder der Hit.

Entscheidender Pluspunkt: In Klein Flottbek wird Spitzensport zum Anfassen geboten. Trotz der Derby-Spannung jedoch fiel auf, dass die ganz großen Namen fehlten – auch aus Deutschland. Viele waren nach dem Zugpferd Global Champions Tour abgereist. Und nur fünf Gäste aus dem Ausland machten klar, dass hier Verbesserungsbedarf besteht. Der neue Hauptsponsor war unterm Strich dennoch zufrieden. „Ich bin hellauf begeistert und froh, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben“, bilanzierte Albert Darboven.

Das gilt ebenso für die Familie Lüneburg. Auf dem Hof Idenburg im 1200-Seelen-Dorf Hetlingen am Elbdeich bei Wedel steht alles im Zeichen der Reiterei. 1980 erwarben Karin und Jan Lüneburg, Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Pinneberg, den Resthof westlich von Hamburg und pachteten 80 Hektar Weiden hinzu. Die Eltern, je zwei Brüder und Schwestern, erlebten gestern in Klein Flottbek ein beglückendes Gefühl. Die Saat geht auf.