Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Vier Jahre lang hat Sebastian Vettel die Formel 1 dominiert wie Michael Schumacher zu seinen besten Zeiten. Der junge Rennfahrer aus Heppenheim beherrschte die Kunst, ein technisch hoch komplexes Sportgerät gemeinsam mit seinen Ingenieuren so weiterzuentwickeln und an seinen Fahrstil anzupassen, dass er um seine Konkurrenz Kreise fahren konnte. Doch weil der Vorsprung des viermaligen Weltmeisters sehr deutlich ausfiel, blieben Zweifel an seiner fahrerischen Klasse. Siege und Titel wurden dem Rennwagen zugeschrieben, nicht dem Piloten.

Seit Sebastian Vettel wegen dramatisch veränderter Regeln nicht mehr im schnellsten Auto sitzt, hat sich die Kritik verschärft. Die technischen Probleme mit Turbo und Hybrid sind immens, Vettel sammelt in dieser Saison all das Pech, das früher an seinem Teamkollegen klebte. Zudem war der Novize Daniel Ricciardo in bislang fünf Rennen meist der Schnellere im Bullenstall und führt im Trainingsduell mit 4:1.

Und doch ist es ein Fehler, Sebastian Vettel zu früh abzuschreiben. Die Aufholjagd in Barcelona vom 15. Startplatz auf Rang vier und die schnellste Runde des gesamten Rennens deuten zumindest an, dass der Champion nichts von seiner Klasse eingebüßt hat. Wie er sich durchs Feld pflügte, erinnerte an seine besten Tage. Von seiner Entschlossenheit hat er nichts verloren. Wenn das Vertrauen in die neue Technik da ist, fährt Vettel wieder auf der Überholspur. Das Wort, das die Experten für seinen Auftritt fanden, war übrigens: weltmeisterlich.