Dieser Sonnabend wird für den Hamburger SV historisch. Nach 51 Jahren droht dem Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga der Abstieg. Uwe Seeler schreibt im Hamburger Abendblatt, was das mit ihm macht.

Hamburg. Es ist für den HSV das wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte: Im Auswärtsspiel beim FSV Mainz 05 an diesem Sonnabend (15.30 Uhr) muss das Bundesliga-Gründungsmitglied den direkten Abstieg aus der Bundesliga verhindern. Nur bei einem Sieg erreicht der HSV auf jeden Fall die Relegationsspiele gegen den Dritten der Zweiten Liga. Bei einem Remis oder einer Niederlage wäre er darauf angewiesen, dass die Konkurrenten Nürnberg und Braunschweig ebenfalls patzen. Bürgermeister Olaf Scholz wird den HSV nach Mainz begleiten. Im Abendblatt richtet Club-Legende Uwe Seeler einen leidenschaftlichen Appell an die Spieler.

An diesem Wochenende werden Hunderttausende Hamburger beim 825. Hafengeburtstag für tolle Stimmung sorgen. Mir ist allerdings noch so gar nicht nach Feiern zumute, im Gegenteil: Heute zwischen 15.30 und 17.20 Uhr werde ich wohl ein Schild vor meine Haustür hängen: Bitte nicht stören – Hausbesitzer nicht ansprechbar!

Ach, der Uwe Seeler macht sich wieder Sorgen, höre ich einige sagen. Aber was soll ich tun? Es ist nun mal so, dass ich mitfiebere und mitleide. Ich will gar nicht dran denken, dass mein HSV nach 51 Jahren Zugehörigkeit zur Bundesliga erstmals absteigen könnte, wenn wir in Mainz verlieren und Braunschweig oder Nürnberg gewinnen. Mir graut es vor der Vorstellung, dass man über Hamburg lästert: „Die Elbphilharmonie kriegt ihr nicht gebacken, den Hafen könnt ihr nicht wettbewerbsfähig ausbauen – und mit dem Fußballspielen ist es auch vorbei.“

Nur noch Experten werden sich an die Gründungsmitglieder der Bundesliga von einst erinnern. Liebe Spieler, wenn ich könnte, würde ich Euch in ganz großen Lettern die Namen dieser Vereine aufschreiben, an die Kabinenwand hängen und Euch zurufen: Bitte, wir wollen nicht das gleiche Schicksal wie die Clubs aus Duisburg, Saarbrücken, Karlsruhe oder Kaiserslautern erleiden! Sie sind früher oder später abstiegen und teilweise in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Die Liebe zu Euch, liebe Spieler, ist nicht leicht zu erzeugen. Sie war und ist anstrengend, schlecht für meine Gesundheit. Und eigentlich liegt sie nur noch in der Vergangenheit. Man muss sich erinnern können, was man da liebt. Der letzte Titel mit dem DFB-Pokal liegt 27 Jahre zurück, der Europapokaltriumph in Athen 31 Jahre. Seitdem wartet mein Verein auf die Wiederauferstehung. Den Versuch einer Begründung will ich hier nicht liefern, es ist auch nicht der richtige Zeitpunkt für Personalien, für Strukturdebatten, für HSVPlus, für Aufsichtsräte, für Investoren.

Nicht heute, wo die Zukunft des HSV entschieden wird. Entscheidend ist nur noch auf dem Platz, wie es einst Alfred Preißler wunderbar einfach beschrieben hat. Von Druck für die Fußballer will ich überhaupt nichts hören. Jeder Leistungssportler muss damit umgehen können. Wer Angst hat, nach einem Fehler nervös wird und seine Verunsicherung nicht in den Griff bekommt, hat schon verloren. Negative Gedanken und Gefühle blockieren. Lauft und kämpft für die Fans!

Ich hoffe noch immer auf eine bessere Zukunft für den HSV, die da heißt: Drin- und Dranbleiben. Eine Stadt steht hinter Euch! Gebt Hamburg einen echten Grund zum Feiern, zum Durchatmen, bevor es in den Relegationsspielen dann um die endgültige Rettung geht. Steht auf, wenn Ihr aus Hamburg seid, auch wenn Ihr woanders geboren wurdet. Auf geht’s, Männer!

(aufgezeichnet von Roman Köster)