Nach dem souveränen Sieg über Pflichtherausforderer Alex Leapai will Dreifachboxweltmeister Wladimir Klitschko nun auch den Titel des Weltverbands WBC erkämpfen.

Oberhausen. Bernd Bönte hatte eine wichtige Botschaft zu verkünden, und dafür tat er etwas, was er in seiner Eigenschaft als Manager von Wladimir Klitschko normalerweise nicht tun muss: Er bat um einen Kampf. „Wir wären sehr glücklich, wenn die WBC Wladimir die Chance geben würde, um ihren Titel zu kämpfen“, sagte Bönte also zu vorgerückter Stunde, als in der König-Pilsener-Arena niemand mehr über den vorangegangenen Kampf, den K.-o.-Sieg in Runde fünf gegen Alex Leapai sprach, sondern längst wieder nach den letzten noch verbliebenen Gegnern für den Dreifachboxweltmeister im Schwergewicht gefahndet wurde.

Der Gürtel des World Boxing Council (WBC) fehlt dem 38 Jahre alten Ukrainer noch in seiner Sammlung, dann hätte er die Titel aller vier bedeutenden Weltverbände auf sich vereinigt. Am 10. Mai kämpfen in Los Angeles der US-Amerikaner Chris Arreola und der Kanadier Bermane Stiverne um diesen Gürtel, den Klitschkos älterer Bruder Vitali niedergelegt hatte, bevor er sich in den größeren, viel härteren Kampf stürzte, den er derzeit führt, den um die Neuordnung der Ukraine (siehe auch Text rechts). „Es ist mein großer Traum, alle vier Titel zu vereinigen, den der WBC hatte ich noch nie. Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme“, sagte Wladimir Klitschko.

Diese Sehnsucht nach einem Kampf, der die Boxfans weltweit in seinen Bann ziehen würde, war nur allzu verständlich an einem Abend, der wieder einmal und vielleicht deutlicher als jemals zuvor bewiesen hatte, dass der 198 Zentimeter große Modellathlet so allein an der Spitze der Königsklasse des Berufsboxens steht wie der Ayers Rock im Roten Zentrum von Leapais Heimat Australien. Dass der technisch, taktisch und auch in seiner Erfahrung limitierte Gast nur mit einem Glückstreffer würde gewinnen können, war vorher klar gewesen. Aber dass ein Pflichtherausforderer – und dazu war der 34-Jährige nach seinem Überraschungssieg gegen den Russen Denis Boytsov vom Berliner Sauerland-Team im November 2013 vom Weltverband WBO ernannt worden – dermaßen unterlegen sein würde, dass er nicht einen einzigen Wirkungstreffer anzubringen verstand, war eine weitere Ernüchterung für die Schwergewichtsklasse, deren Ruf in den vergangenen Jahren sowieso schon arg gelitten hat.

Allerdings muss man Leapai, einem gebürtigen Samoaner, der im Ring mit dem traditionellen Kriegstanz Haka begrüßt wurde, zugestehen, dass sein im Kampfnamen „Löwenherz“ gewürdigter Siegeswille nie und nimmer ausreichen konnte gegen einen Klitschko, der von den Emotionen rund um die schlimmen Ereignisse in seiner Heimat derart aufgeputscht schien, dass er seinen 15 Zentimeter kleineren Kontrahenten vor 12.000 Fans in der ausverkauften Arena und 8,64 Millionen vor den Fernsehschirmen mit purer Leidenschaft überrollte. Zielgenau steuerte die gefürchtete linke Führhand immer wieder durch die löchrige Deckung, doch überraschend oft zog die brutale rechte Schlaghand nach. Leapai wartete auf Pausen, um zum Konter anzusetzen, aber es gab keine Pausen. Klitschko schlug und schlug, vor allem schlug er perfekt aus der Bewegung, er tanzte seinen Gegner förmlich aus, hatte ihn in Runde eins bereits am Boden und setzte dann in Runde fünf nach einem weiteren Niederschlag so konsequent nach, wie man es lange nicht von ihm gesehen hatte. Ringrichter Eddie Cotton blieb keine andere Möglichkeit, als den schwer atmenden Australier aus dem Kampf zu nehmen.

„Enorm wichtig für meine Landsleute“

„Es war sehr hart für mich, in der Vorbereitung konzentriert zu bleiben, denn mit dem Kopf war ich in der Ukraine. Aber dieser Sieg war enorm wichtig für meine Landsleute, deshalb bin ich sehr glücklich“, sagte Klitschko. Sein Trainer Johnathon Banks hatte dagegen die weitaus einleuchtendere Erklärung, die das auch von TV-Partner RTL penetrierte Politpathos ein Stück weit relativierte. „Ich habe von Wladimir gefordert, dass er endlich wie ein echter Champion boxen muss. Es genügt nicht, wenn er die Gegner ausboxt, er muss sie ausknocken, das erwarten die Leute, weil er alle Werkzeuge dafür hat“, sagte der Chefcoach, der gleich die nächste Forderung formulierte. „Wenn Wladimir wirklich als einer der besten zehn Boxer der Geschichte anerkannt werden will, dann muss er mit seinen Titeln auf Welttournee gehen. Wir müssen in den USA boxen, in Asien, in Afrika oder auch in Australien. Nur dann wird er ein echter Champion sein.“

Natürlich wäre eine Titelvereinigung mit dem neuen WBC-Champion in den USA denkbar, wichtig ist aber zunächst einmal, dass sie überhaupt kommt. Wahrscheinlicher ist, dass die Amerikaner zunächst versuchen, den Sieger aus Arreola gegen Stiverne gegen ihre größte Hoffnung Deontay Wilder antreten zu lassen, um den besten US-Schwergewichtler zu ermitteln.

Klar ist: Wladimir Klitschko braucht echte Herausforderungen, um noch wachsen zu können, er muss die Besten boxen und sicherlich nicht die lautesten Kläffer wie den Kölner Manuel Charr, der sich in Oberhausen in Begleitung von 50 aggressiven Claqueuren gewaltsam Zugang zum Ring verschaffte und dort ein Duell einforderte, oder Exweltmeister Shannon Briggs, der im Vorfeld des Kampfes mehrfach öffentlich mit Beleidigungen aufgefallen war. Den Sieger aus Arreola gegen Stiverne, Wilder, IBF-Pflichtherausforderer Kubrat Pulev aus Bulgarien oder die Briten Tyson Fury, Dereck Chisora oder David Price – es gibt noch reizvolle Kämpfe gegen Gegner, die mehr können als viel zu reden und wenig zu halten.

Nachdem er seine Botschaft losgeworden war, zählte für Bernd Bönte allerdings ein ganz anderer Kampf; der Abstiegskampf des HSV, in dessen Aufsichtsrat der Manager im Fall einer erfolgreichen Reform des Vereins einziehen will. „Jetzt wünsche ich mir erst einmal drei Punkte in Augsburg“, sagte er. Aber auch für Erfolgsmenschen wie Bönte gibt es Grenzen ...