Turnierveranstalter wollen den spanischen Weltranglistenersten nach Hamburg holen. 2008 hat er hier zuletzt gespielt

Hamburg. Der Blick auf die Vorverkaufszahlen für das Herrentennisturnier am Rothenbaum (12. bis 20. Juli) bereitet Michael Stich in diesen Tagen viel Freude. Seit der Wimbledonsieger von 1991 Anfang 2009 als Direktor des Traditionsturniers eingestiegen ist, haben nie so viele Menschen rund drei Monate vor Veranstaltungsbeginn Eintrittskarten erstanden wie in diesem Jahr. „Wir freuen uns sehr darüber, dass das Interesse am Turnier so hoch ist. Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Stich.

Natürlich weiß der 45-Jährige auch, dass vor allem der Boom im vergangenen Jahr, als die Anlage an vier Tagen ausverkauft war und diverse Fans abgewiesen werden mussten, für den guten Absatz verantwortlich ist. Und weil Stich und sein Team außerdem wissen, dass die Verpflichtung des Schweizer Topstars Roger Federer und das erneut starke Auftreten von Lokalmatador Tommy Haas gewichtige Gründe für den Aufschwung waren, arbeiten sie intensiv daran, auch für dieses Jahr neben Haas, der – die Heilung seiner Schulter vorausgesetzt – seinen Start bereits zugesagt hat, einen Spieler zu verpflichten, der als Publikumsmagnet taugt. „Man braucht immer ein, zwei Protagonisten, die eine Leuchtturmfunktion übernehmen können“, sagt er.

Drei Akteure sieht Stich für diese Rolle als geeignet an: Federer, den spanischen Branchenführer Rafael Nadal und den serbischen Weltranglistenzweiten Novak Djokovic. Und tatsächlich gilt Nadal als aussichtsreichster Kandidat für einen Start am Rothenbaum. Gespräche mit Toni Nadal, dem Onkel des Weltranglistenersten, der als Trainer und Manager arbeitet, hat es schon mehrfach gegeben, das Interesse ist hinterlegt. „Natürlich ist es mein Ziel, Rafael noch einmal nach Hamburg zu holen. Er hat eine Beziehung zum Rothenbaum, hat hier 2008 im letzten Masters-Jahr den Titel geholt“, sagt Stich. Seitdem war der 27-Jährige, dessen Stern tatsächlich vor elf Jahren am Rothenbaum aufging, als er als gerade 16-Jähriger seinen Mentor Carlos Moya besiegte, nicht mehr in Hamburg am Start, insgesamt spielte er das Turnier dreimal (2003, 2007 und 2008).

Die Entscheidung, ob der Mallorquiner im Juli in Hamburg aufschlägt, wird wie im Fall Federer, der im Vorjahr nach seinem verpatzten Wimbledon-Auftritt Spielpraxis sammeln wollte, kurzfristig fallen. „Wenn Nadal sich zum Beispiel entscheidet, wegen seiner Verletzungssorgen auf Wimbledon zu verzichten, könnte er in Hamburg viele Punkte gutmachen und deshalb einen Start hier als lukrativ ansehen“, sagt Stich. Dass Federer noch ein weiteres Mal zurückkehrt, sei nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Und Djokovic wird zwar vom ehemaligen Rothenbaum-Chairman Boris Becker trainiert, dürfte als Hartplatzspezialist aber nach Wimbledon kaum bereit sein, noch einmal auf Sand zu spielen.

Klar ist: Um einen Spieler dieser Kategorie zu verpflichten, müssten Sponsoren mithelfen wie im Vorjahr, als mehrere Unterstützer die geschätzten 300.000 Euro Antrittsgage für Federer finanzierten. Nadal soll gar zwischen 500.000 und einer Million Euro aufrufen. „Welche Summen auch immer die Topstars verlangen, sie sind für jeden Turnierveranstalter schwer zu stemmen. Aber ich hoffe, dass wir von vielen Seiten Unterstützung bekommen würden, wenn die Chance wirklich da ist, Nadal zu holen“, sagt Stich.

Allerdings will der Turnierdirektor auf der Suche nach dem Publikumsmagneten nicht die deutschen Profis vernachlässigen, die ebenfalls wichtig für das Gesamtpaket seien. Neben Haas und dem in Hamburg traditionell starken Daviscupspieler Florian Mayer setzt Stich weiterhin auf Lokalkolorit. Tobias Kamke soll nach seinem starken Daviscup-Auftritt in Frankreich endlich auch in Hamburg überzeugen, die 17 Jahre alte Nachwuchshoffnung Alexander Zverev darf erneut auf eine Wildcard fürs Hauptfeld hoffen. Und auch Daviscup-Überraschung Peter Gojowczyk aus München hat Stich auf dem Zettel, „weil er sehr klar strukturiert und schön spielt“.

Ein weiterer Effekt des Booms im Vorjahr hat die Rothenbaum-Macher umdenken lassen. Nach dem Finale zwischen Turniersieger Fabio Fognini (Italien) und dem Argentinier Federico Delbonis hatte Stich viel Feedback von Fans bekommen, die beide Spieler zuvor nicht kannten und dann von der Qualität begeistert waren. „Unser Ziel muss es deshalb sein, die Topstars von morgen zu präsentieren“, sagt Stich, der in diese Kategorie neben Fognini, der in der Weltrangliste aktuell Platz 13 belegt, Spieler wie den Kanadier Milos Raonic (9), den Bulgaren Grigor Dimitrow (16), den Japaner Kei Nishikori (17), den Polen Jerzy Janowicz (21) und den Ukrainer Alexander Dolgopolow (22) einordnet. Allerdings müssen auch für diese Profis bereits Antrittsgagen im hohen fünfstelligen Bereich gezahlt werden. Stich versucht deshalb, die Akteure mit Mehrjahresverträgen zu binden, damit sie auch dann noch kommen, wenn sie echte Topstars geworden sind.

Eine Sache liegt Michael Stich am Herzen: „Ich möchte niemanden mit Geld überzeugen, am Rothenbaum zu spielen, der das vom Herzen her gar nicht möchte. Denn der scheidet dann in Runde eins aus, und das Geld ist weg.“

Der Spagat zwischen kurzfristigem Effekt und nachhaltigem Erfolg muss am Rothenbaum gelingen, damit auch in den nächsten Jahren die Verkaufszahlen Freude bereiten.