Am Mittwoch will Marlene Märtin den Präsidenten Peter Hamel beerben. Gewinnt sie die Wahl, wäre sie die erste Frau an der Spitze der Faustkämpfer der Stadt

Hamburg. Natürlich wird sie unterschätzt werden. Frauen in einer Männerdomäne haben es ja nie leicht. Weil es immer diese Typen gibt, die ihnen nicht zutrauen, sich durchsetzen zu können. Und wenn dann auch noch eine kommt, die kaum einer kennt, die noch nie ein Amt bekleidet hat und die plötzlich nach dem Höchsten strebt, dann wird die Abwehrmauer hochgezogen. Verbesserungen wollen alle. Aber zu viel Veränderung wollen wenige, wenn es eigentlich ordentlich läuft.

Marlene Märtin weiß all das, doch das macht für sie die ganze Sache ja so spannend. An diesem Mittwoch, wenn um 19 Uhr die Vorsitzenden der 30 Hamburger Boxvereine auf der Jahreshauptversammlung des Hamburger Amateurboxverbandes (HABV) turnusmäßig ihren Präsidenten wählen, wird die 36-Jährige gegen Amtsinhaber Peter Hamel, 61, antreten. Gewinnt sie die Wahl, wäre sie die erste Frau an der HABV-Spitze. Dass Hamel, der seit 2011 den damals arg angeschlagenen HABV in ruhige Fahrwasser führte und dafür von den Vereinen durchaus geschätzt wird, gute Arbeit geleistet hat, will sie nicht in Abrede stellen. Aber sie glaubt, dass vieles noch besser werden sollte. „Und Verbesserung braucht Veränderung. Deshalb trete ich an. Ich mag solche Herausforderungen.“

Als Märtin, die im Rheinland aufwuchs und dort im Karate ihre Kampfsportleidenschaft entdeckte, 2003 nach ihrem Studium der Rechtspflege nach Hamburg kam, begann sie beim HTB 62 mit dem Boxtraining. Die Vielseitigkeit des Sports ließ sie nicht mehr los, auch die soziale Komponente, die Integrationskraft des Faustkampfes, beeindruckte sie nachhaltig. Eine Schulterverletzung beendete 2006 ihre sportlichen Ambitionen, seitdem engagiert sie sich auf Funktionärsebene. Im HTB ist sie Vize-Abteilungsleiterin der Boxsparte, für den HABV hat sie bislang allerdings noch nie gearbeitet.

Kein Wunder also, dass es im Verband einige gibt, die mit ihrem Namen nichts anfangen können, Hamel inklusive. „Sie kommt aus heiterem Himmel, ich habe sie einmal gesehen, weiß nichts über ihre Ziele. Aber ich freue mich über die Konkurrenz, das tut dem Verband gut“, sagt er. Marlene Märtin glaubt, dass der fehlende Stallgeruch ihr großes Plus sein könnte. „Ich gehe mit unverstelltem Blick und unvoreingenommen an die Sache heran. Ich bin nicht betriebsblind, sondern offen für alle und alles“, sagt sie.

Warum aber will sie sofort auf den Thron, ohne den auch in der Sportpolitik meist nötigen Weg durch die Instanzen zu gehen? „Weil ich das, was ich vorhabe, nur mit dem angestrebten Amt umsetzen kann“, sagt sie. Es gehe ihr nicht um Macht, sondern einzig um Legitimation. Ihr Führungsstil, den sie auch in ihrem Beruf in der Personalorganisation des Hafenmanagements pflege, sei auf kooperatives Miteinander ausgelegt. Dennoch könne sie sich kaum vorstellen, zunächst unter einem Präsidenten Hamel HABV-Luft zu schnuppern. Sie will gestalten, nicht verwalten. Ihre Ziele für eine mögliche Präsidentschaft hat sie klar umrissen: Talentbindung, Öffentlichkeitsarbeit, Frauenförderung – all diese Dinge müssen besser werden.

Dass sie die Klaviatur der Politik zu bespielen weiß, beweisen ihre diplomatischen Antworten, die sie nie spontan, sondern stets wohlüberlegt gibt. Die Unterstellung, sie sei nur eine Marionette des umtriebigen HTB-Cheftrainers Dirk Meyer, die nach einem tendenziösen Bericht im Internet am Montag neue Nahrung erhalten hatte, wischt sie mit einem entschlossenen „Quatsch!“ vom Tisch. Wer sie unterstützt, will sie nicht sagen, sie möchte sich noch ein paar Überraschungen für Mittwoch erhalten. Dass sie sich im Vorfeld der Wahlen bei 20 Vereinen vorgestellt und dabei einen durchaus positiven Eindruck hinterlassen hat, spricht für die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten. Und macht eins deutlich: Wer Marlene Märtin unterschätzt, der macht einen gewaltigen Fehler.