Im fünften Jahr soll das Mercedes-Engagement in der Formel 1 endlich mit dem Titel gekrönt werden – dank überlegener Technik

Melbourne. Das trübe Wetter passte nicht zur guten Stimmung, als Mercedes Ende Januar in Jerez seinen neuen Formel-1-Rennwagen präsentierte. „Wir waren begeistert“, erinnert sich Sportchef Toto Wolff beim Saisonstart in Australien. „Wir waren stolz, dass wir als eines der wenigen Teams zum Saisonstart bereit waren. Es war noch kein Grand-Prix-Sieg, aber eine Belohnung für alle im Team und eine Botschaft an unsere Gegner.“ Sechs Wochen später lässt sich festhalten: Die Botschaft ist angekommen.

Vor dem Großen Preis von Australien in Melbourne gelten die Silberpfeile allenthalben als Favoriten auf den WM-Titel, Chefpromoter Bernie Ecclestone erklärte erst Nico Rosberg und dann Lewis Hamilton zum ersten Anwärter. All das hört man gerne an den beiden zentralen Standorten im englischen Brackley und in Stuttgart. Dort ist mit dem neuen Personal vor anderthalb Jahren auch ein neuer Ton eingezogen. Platz zwei in der Konstrukteurs-Wertung war nach der vergangenen Saison ein erster Erfolg. 2014 soll der nächste Schritt folgen.

„Das Team hat sich im vergangenen Jahr neu aufgestellt“ erklärt Mercedes-Chefaufseher Niki Lauda mit knappen Worten das Erfolgsgeheimnis hinter den neuen Silberpfeilen. Gemeinsam mit seinem Landsmann Wolff verordnete der Österreicher dem Rennstall, der 2010 mit dem Duo Rosberg/Michael Schumacher als „deutsche Nationalmannschaft“ in die Formel 1 zurückgekehrt war, einen neuen Weg. Es folgte eine Investitionsoffensive.

Das brave Schmalspurbudget von rund 130 Millionen Euro wurde auf 190 Millionen Euro aufgestockt. Investiert wurde in neues und besseres Personal, einen leitungsfähigeren Simulator, kurzum in einen Energieschub, der laut Wolff „das gesamte Team von einem Tag auf den anderen mitriss. Irgendwie haben unsere Leute in England und Stuttgart bemerkt, dass wir uns aus unserem zu engen Korsett befreien mussten.“ Dadurch kam Mercedes mit den Hauptkonkurrenten zumindest finanziell wieder ansatzweise auf Augenhöhe.

Allein Ferrari und Red Bull verfügen über noch größere Budgets, die Rede ist von jeweils etwa 400 Millionen Euro. Doch der Mercedes-Motor funktioniert nicht nur zuverlässiger als die Antriebsaggregate von Ferrari und Renault. Er ermöglicht auch ein höheres Tempo. Bei den Testfahrten in Bahrain war Williams-Pilot Felipe Massa, in dessen Heck ebenfalls ein Mercedes-Motor summt, auf der Geraden 20 Kilometer in der Stunde schneller als Weltmeister Vettel mit seinem Red Bull.

„Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Toto Wolff, „aber wir haben noch keinen WM-Titel gewonnen. Feiern werden wir, wenn die Fakten das zulassen.“ Lauda formuliert: „Wir wollen da hin, wo Mercedes in der Formel 1 hingehört.“ Statt Protzerei dominiert Vorfreude. „Ich fühle mich sehr gut in meinem Auto. Es wird im Rennen aber auf die Verlässlichkeit ankommen“, sagte der 29 Jahre alte Hamilton. Sein Garagennachbar Rosberg bekannte: „Wo wir genau stehen, wissen wir nicht. Da müssen wir bis zum Rennen warten.“ Sie ahnen, dass das Auto Potenzial für Siege und vielleicht sogar den Titel hat.

Hamiltons und Rosbergs Stil passen gut zur moderaten Fahrweise, die das neue Reglement verlangt. Nach der Limitierung des Sprit-Verbrauchs auf 100 Kilogramm pro Rennen gewinnt nicht mehr der Fahrer, der am längsten Vollgas gibt. Sondern der, der die Vollgaspassagen am klügsten kombiniert, Windschattenphasen klug nutzt und beim Boxenbesuch keine Fehler macht.

Der Mann für die Strategie ist Paddy Lowe, der erst im Sommer zum Team gestoßen ist und 2014 den Teamgründer Ross Brawn vergessen machen soll. Wohin das Projekt Mercedes führen wird, ist noch nicht absehbar. So vielversprechend wie in diesem Jahr waren die Voraussetzungen noch nie.