Viktoria Rebensburg, Riesenslalomsiegerin von 2010, geht als Außenseiterin ins Rennen. Maria Höfl-Riesch ist erkältet

Sotschi. Eines soll Viktoria Rebensburg nicht wieder passieren. Dass ihre Eltern während des entscheidenden Laufs zur olympischen Goldmedaille noch im Flugzeug sitzen – wie vor vier Jahren in Vancouver, als die Oberbayerin aus Kreuth am Tegernsee in einem furiosen zweiten Durchgang zum Sieg raste. „Meine Eltern sind nicht da“, sagte die 24-Jährige vor den beiden entscheidenden Rennen an diesem Dienstag um 6.30 und 10 Uhr deutscher Zeit. „Sie haben sich entschlossen, alles von zu Hause aus zu verfolgen.“

Vor vier Jahren, als die Riesenslalom-Entscheidung der Frauen wegen Nebels um eine Nacht vertagt werden musste, waren Wolfgang und Dagmar Rebensburg schon auf dem Heimweg nach Deutschland, als ihre Tochter das Rennen ihres Lebens fuhr. Vom sechsten Rang nach dem ersten Durchgang kämpfte sie sich unbekümmert und angriffslustig noch an die Spitze. Sie war damals gerade 20 Jahre alt, galt als sehr talentiert, hatte aber noch kein Weltcuprennen gewonnen und galt als krasse Außenseiterin. Das Wetter in den Bergen von Krasnaja Poljana erinnerte einen Tag vor dem Wettbewerb an die Bedingungen von 2010 in den Whistler Mountains. Auch in Russland herrscht dichter Nebel. Und wie vor vier Jahren geht Rebensburg nicht als Favoritin ins Rennen.

„Ich sehe mich jetzt schon ein bisschen in der Jägerrolle, weil die Saison anders verlaufen ist, als sie begonnen hat“, erzählte sie in Sotschi. „Ich habe aber keine großen Erwartungen. Ich möchte gut Ski fahren und fehlerfrei ins Ziel kommen.“ Wegen einer Lungenentzündung fehlen ihr „einfach zwei Monate Training“. Die zehnmalige Weltcupsiegerin in ihrer Spezialdisziplin war in diesem Winter zeitweise mehr damit beschäftigt, wann sie welche Pille nehmen musste oder wann der nächste Arzttermin anstand, als mit der Trainingsplanung. Statt Ski, Helm und Stöcke hieß es „Bett, Couch und Tee“. Von 17 möglichen Rennen fuhr sie nur elf. Nach der Rückkehr von den Weltcuprennen in Nordamerika Anfang Dezember „war es total aus, da konnte ich gar nichts mehr machen“, erzählt Rebensburg. Sie fiel kraftlos ins Bett, dachte an Olympia – und wurde unruhig. „Ich dachte nur: Wahnsinn, es wird nicht besser.“ Zwischenzeitlich hatte sie „Angst, dass ich gar nicht mehr gesund werde und überhaupt nicht mehr auf die Beine komme“. So wie ihre langjährige Teamkollegin Kathrin Hölzl, 29, die zu Beginn des Olympiawinters wegen ihrer langwierigen gesundheitlichen Probleme aufhören musste.

Rechtzeitig vor Olympia kehrte sie in den Weltcup zurück und holte sich in den Temporennen auch ein „ganz gutes Gefühl“. Zu einer Spitzenplatzierung wie Rang drei beim Saisonstart in Sölden reichte es im weiteren Verlauf nicht mehr. Bei ihren beiden Riesenslaloms danach schied sie einmal aus und fuhr einmal als 24. durchs Ziel. „Momentan sind einfach andere die Favoriten im Riesenslalom“, sagt Rebensburg, die ihre Goldene von Vancouver zu Hause auf einer Fensterbank liegen hat. Die Vorzeigefahrerin der deutschen Alpinen ist und bleibt Maria Höfl-Riesch, 29, die beständig Resultate abliefert und neun der vergangenen zehn Einzelmedaillen bei Großereignissen holte. Nur Viktoria Rebensburg steuerte eine weitere Medaille bei – und soll das, geht es nach Chefcoach Thomas Stauffer, auch diesmal erledigen. Als dritte Deutsche geht Barbara Wirth, 24, aus Lenggries bei ihren ersten Olympischen Spielen an den Start.

„Es ist klar, dass eine Vicky und eine Maria da schon eine Medaillenchance haben. Da sind wir sicher im erweiterten Favoritenkreis“, sagte Stauffer. „Aber auf diesem Hang ist der Favoritenkreis ein bisschen größer als in einem normalen Rennen.“ Für Rebensburg ist der Riesenslalom nach dem ordentlichen 15. Platz in der Abfahrt und dem neunten Rang nach einem Fehler im Super-G die größte Gelegenheit auf das Podest. Maria Höfl-Riesch, deren eigener Start in ihrer vermutlich schwächsten Disziplin wegen einer heftigen Erkältung fraglich ist, gibt ihr gute Chancen: „Sie kann auf jeden Fall in die Top drei fahren.“ In der Tat: Im Super-G sei sie „technisch gut gefahren“, meinte Rebensburg selbst. Und genau auf die Technik kommt es im Riesenslalom an. „Sie macht einen sehr guten Eindruck“, sagt Alpindirektor Wolfgang Maier, der sie täglich beobachtet. Sie habe sich „extrem gut“ erholt, „es passt auch psychologisch. Ich habe überhaupt keine Angst, dass sie nicht gut fährt.“

Für diesen Dienstag haben die Meteorologen in Krasnaja Poljana Schneefall und Temperaturen um den Gefrierpunkt vorhergesagt, auch Nebel könnte wieder aufziehen. Wie vor vier Jahren in Vancouver. Beim Gedanken an ein solches Wetter sagt Viktoria Rebensburg: „Ach, da hätte ich nichts dagegen. Man muss einfach flexibel sein, und so gehe ich auch an die Sache ran.“ Vor vier Jahren endete diese Übung mit einer Goldmedaille.