Slalomstar Felix Neureuther rutscht auf der Autobahn in eine Leitplanke und erleidet ein Schleudertrauma. Sein Start in Sotschi soll aber möglich sein

München. Das Wetter war trügerisch. Die Morgensonne schien, sie stand noch tief, der Himmel war klar, nur wenige Wolken. Am Freitag wollte er nach Sotschi abreisen, zu den Olympischen Spielen. Felix Neureuther war deshalb auf der Autobahn 95 von seinem Wohnort Garmisch-Partenkirchen zum Flughafen München unterwegs, Freundin Miriam Gössner saß ebenfalls in dem Auto. Problemlose Fahrt, an die Gefahr durch Blitzeis haben sie nicht gedacht. Bis das Fahrzeug in Höhe der Ausfahrt Starnberg in die Leitplanke gerutscht ist.

Die Nachrichten von dem Unfall sorgten zunächst für einen Schock, dann für große Sorge, Aufregung, schließlich für Erleichterung und später am Tag für eine erste Entwarnung. „Einem Start bei Olympia sollte nichts im Wege stehen“, sagte der 29-Jährige nach einer Untersuchung bei Sportmediziner Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in der Münchner Innenstadt: „Ich habe ein Schleudertrauma, und zwei Rippen haben starke Prellungen abbekommen. Aber es ist Gott sei Dank sehr, sehr glimpflich ausgegangen.“ Neureuther wirkte erleichtert, als er mit einem Lächeln aus der Praxis kam. „Auch Frau Gössner geht es gut“, sagte er.

Neureuther und die derzeit verletzte Biathletin Gössner waren nach dem Unfall weitergefahren. Es gab ja keinen Personenschaden, ein anderes Auto war nicht involviert. Am Münchner Flughafen checkte er sein Gepäck für den Flug über Frankfurt nach Sotschi ein. Auf Anraten seines Trainers Albert Doppelhofer fuhr der 29 Jahre alte Vizeweltmeister im Slalom dann aber in die rund 40 Kilometer entfernte Praxis von Müller-Wohlfahrt. Dort wurde Neureuther mehrere Stunden lang untersucht. Hinweise auf eine Knochenverletzung, teilte der Deutsche Skiverband (DSV) mit, gäbe es nicht. Neureuther hatte in den vergangenen Jahren wiederholt mit zum Teil schweren Verletzungen zu kämpfen gehabt.

Welche Auswirkungen das Schleudertrauma auf seinen ersten geplanten Olympiastart am 19. Februar (Riesenslalom) hat, ist dennoch unklar. DSV-Cheftrainer Karlheinz „Charly“ Waibel gab zu bedenken, „das Tückische“ an einem Schleudertrauma sei, dass sich „die Folgen erst in den nächsten Tagen zeigen“. Neureuthers zweiter Start soll im Slalom am 22. Februar sein, vor allem dort zählt er zu den Goldfavoriten. Eine Woche vor Beginn der Spiele in Sotschi hatte Neureuther allerdings noch wegen chronischer Rückenbeschwerden seinen Start beim Weltcup in St. Moritz absagen müssen.

Der deutsche Chef de Mission, Michael Vesper, zeigte sich erleichtert, dass der Alpinstar den Unfall glimpflich überstanden hat: „Wir freuen uns, dass er am Sonnabend in Sotschi zu unserer Mannschaft stößt und seinen Traum, an den Olympischen Winterspielen in Sotschi teilzunehmen, aller Voraussicht nach wahrmachen kann.“

Alpindirektor Wolfgang Maier meinte ebenfalls : „Wir sind relativ optimistisch.“ Allerdings könne man erst am zweiten oder dritten Tag sagen, wie die Auswirkungen des Schleudertraumas seien. „Aber Felix fährt immer gute Rennen, wenn eine Vorgeschichte da ist“, betonte Maier. „Es geht ihm den Umständen entsprechend ganz gut“, sagte der deutsche Herren-Cheftrainer Waibel, „wichtig ist, dass ihm offenbar nichts Schlimmeres passiert ist. Ein Ausfall Neureuthers wäre für den Verband „eine mittlere Katastrophe“, betonte er, „er ist das Herzstück unserer Herrenmannschaft“.

Laut Maier ist Skifahren mit einem leichten Schleudertrauma möglich. Der frühere Trainer wies zugleich darauf hin, dass im Falle eines schweren Schleudertraumas mehrere Wochen Pause notwendig sein könnten. Um eine optimale Vorbereitung Neureuthers zu gewährleisten, hatte der DSV bereits dessen Physiotherapeut Martin Auracher einfliegen lassen.

Neureuther erzählte später am Freitag, wie es zu dem Unfall gekommen war: Er sei „bei Blitzeis ins Schleudern geraten, und dann bin ich links in die Leitplanke rein“. Vater Christian Neureuther berichtete zudem: „Es war mit einem Schlag so spiegelglatt, dass er keine Chance hatte.“ Der Abschnitt auf der A95 zwischen Schäftlarn und Starnberg gilt als anfällig für Witterungsschwankungen. Die Polizeiinspektion in Weilheim bestätigte, dass Miriam Gössner nach dem Unfall die Polizei Garmisch-Partenkirchen über den Unfall informiert habe.

Dennoch ermitteln die Polizei und die Staatsanwaltschaft München II gegen Neureuther wegen des „unerlaubten Verlassens einer Unfallstelle.“ Wegen der Beschädigung der Leitplanke hätte Neureuther vor Ort bleiben müssen. Dass er, wie vom Gesetz verlangt, auf die Polizei hätte warten müssen, sei ihm nicht bewusst gewesen. „Ich habe mir da keine großen Gedanken gemacht. Wir haben ganz normal den Unfall der Polizei gemeldet.“ Ihm droht jetzt eine Strafe von „ungefähr 300 Euro. Die werde ich natürlich bezahlen“.

Es hätte tatsächlich schlimmere Konsequenzen geben können.