Tennis-Toptalent Alexander Zverev gewann den Juniorenwettbewerb in Melbourne. Im Abendblatt gratuliert sein Bruder Mischa

Den 6:3, 6:0-Sieg seines Bruders Alexander, 16, im Endspiel des Juniorenwettbewerbs der Australian Open in Melbourne gegen Stefan Kozlov (USA) erlebte Mischa Zverev in den USA. Der 26-Jährige, Nummer 175 der Weltrangliste, trainiert in Florida, um nach Verletzungen an Knie und Ellenbogen wieder Anschluss zu finden und sich in Form zu bringen für das nächste Challengerturnier, das er in der kommenden Woche in Dallas bestreiten will. Für das Abendblatt schreibt der ehemalige Daviscupspieler, warum sein Bruder, den Familie und Freunde Sascha nennen, eine großartige Karriere machen könnte.

Als ich nach Saschas Triumph ins Bett gegangen bin, war neben einer riesengroßen Portion Stolz noch ein zweites Gefühl dabei: Sorge. Ich kann mir vorstellen, was in den nächsten Wochen alles auf den Kleinen einstürzen wird, die Erwartungen sind von nun an riesig, denn wer einen Junioren-Grand-Slam-Titel holt, der muss ja ein Guter sein. Und genau da fängt das Problem an. Vor ihm haben drei Deutsche im Nachwuchsbereich in Australien gesiegt: Dirk Dier, Nicolas Kiefer und Daniel Elsner. Und auch wenn die alle sicherlich gute Tennisspieler waren, so hat außer Kiefer doch niemand Großes erreicht. Deshalb wissen wir innerhalb der Familie: Wenn Sascha in zehn Jahren zurückschaut und es nicht wie ich in die Top 50 geschafft hat, dann redet niemand mehr über den Juniorentitel.

Ich weiß, dass viele Experten Sascha als das größere Talent von uns beiden ansehen. Ich mag grundsätzlich keine Prognosen stellen, das erzeugt nur unnötig Druck, zumal wir in fast allen Dingen ziemlich gegensätzliche Typen sind, körperlich, technisch, taktisch. Aber natürlich hat Sascha großartige Anlagen, er beherrscht fast alle Schläge. Was mich besonders beeindruckt, ist sein Wille. Er kämpft bis zum Schluss und gibt keinen Punkt verloren. Ich habe in Australien viel mit ihm trainiert und gespürt, wie heiß er auf diesen Titel war. Er konnte es nicht ertragen, zwar die Nummer eins der Junioren-Weltrangliste zu sein, aber noch keinen Grand-Slam-Titel gewonnen zu haben. Jetzt hat er ihn, jetzt kann er sich neuen Zielen widmen.

Dass er die Bodenhaftung verliert, schließe ich aus. Ich weiß, dass er manchmal kühl, fast arrogant wirkt und dass er für sein Alter sehr abgeklärt mit Medien und Fans umgeht. Er ist einfach nicht der Typ, der sich Fremden gegenüber öffnet, er grenzt sich gern ab. Aber im Familienkreis ist er ganz anders, und wir reden oft über andere Dinge als Tennis. Als er mich nach dem Finalsieg anrief, wollte er nur wissen, wie mein Turnier auf Hawaii war und ob ich Surfen gegangen bin. Über sein Match hat er nichts gesagt. Das war typisch.

Viele sehen unsere enge Familienbindung als problematisch an. Aber für uns ist es der richtige Weg, dass unsere Eltern uns als Trainer betreuen. Ich könnte mir vorstellen, nach meiner Karriere auch Saschas Trainer zu werden, wenn er es wünscht. Schon jetzt sage ich ihm alles, was ich weiß, und versuche ihm auch Tipps zu geben, wenn er welche möchte.

Wir hatten zwar immer schon ein Konkurrenzverhältnis, aber es ist eine gesunde Rivalität, die uns beide bis heute antreibt. Sascha und ich verstehen uns super, wir streiten nie, telefonieren mehrmals täglich, wenn wir nicht zusammen sind. Dass wir in diesem Jahr öfter gemeinsam unterwegs sein und miteinander trainieren werden, weil Sascha mehr Challengerturniere spielen will, freut mich sehr. Bislang haben wir nur einmal, im März 2012 in Dallas, gegeneinander gespielt. Ich habe klar gewonnen, auch im Training kann er mich bislang noch nicht besiegen.

Dennoch freue ich mich auf den Tag, an dem Sascha zum ersten Mal ein Pflichtspiel gegen mich gewinnt. Dann weiß ich, dass er besser ist als ich, und dann kann sich die ganze Familie auf die Schulter klopfen, denn dann haben wir gemeinsam Großes erreicht.