Die Australian Open haben die beste Stimmung, die beste Anlage und die buntesten Fans. Genau die richtige Bühne für Boris Becker, um in den Tenniszirkus zurückzukehren.

Melbourne/Hamburg. Der Auftakt in so ein bedeutendes Turnier ist immer wichtig. Wenn er gelingt, dann trägt es die Stimmung über die gesamten 14 Tage fort. Nun ist bei den Australian Open, die in der zurückliegenden Nacht in Melbourne begannen, die Chance auf ein gutes Gelingen ohnehin groß. Publikum, Wetter und Trainer Boris Becker sind attraktiv genug beim ersten Grand-Slam-Turnier des Tennisjahres. Alle Topspieler sind ausnahmslos am Start, die Anlage wurde noch einmal baulich verbessert, und das Preisgeld hat mit insgesamt 33 Millionen australischen Dollar (19,74 Millionen Euro) erneut einen Höchststand erreicht. Dennoch ist der Auftakt für die Stimmung sehr wichtig. Also wurde für Montag auf der Showbühne Tony Kopa angesetzt. Mit seiner Rockband.

Denn die „Aussie Open“ sind ja weit mehr als Tennis. Wer das Bild von den förmlichen Zelebritäten rund um die gelbe Filzkugel in Wimbledon vor Augen hat, wird nicht glauben, dass diese junge, bunte, laute Partyveranstaltung mitten in der australischen Millionenmetropole dem gleichen Sport huldigt. „Es macht mir immer wieder riesigen Spaß, hier zu spielen“, sagt Titelverteidigerin Viktoria Asarenka aus Weißrussland, „die Fans sind unglaublich, es gilt nicht ohne Grund als das spielerfreundlichste Grand-Slam-Turnier.“

Was aber auch an der Anlage, den Räumlichkeiten, Trainingsplätzen und Einrichtungen für die Spieler liegt. 366 Millionen australische Dollar (244 Millionen Euro) werden bis kommendes Jahr insgesamt in den Ausbau des Geländes investiert, das dann mit Abstand weltweit der größte und modernste Tenniskomplex ist. Drei Stadien (15.000, 10.500 und 7500 Zuschauer) sind dann mit beweglichen Dächern ausgestattet. In diesem Jahr sind es noch „nur“ die beiden größten Arenen.

Stimmung in der hintersten Ecke

Die Dächer werden wahrscheinlich in den nächsten Tagen vor allem wegen der Hitze geschlossen. 35 Grad wurden für Montag vorausgesagt, 42 Grad gar für den Dienstag, wenn Carina Witthöft ihr Match gegen die Luxemburgerin Mandy Minella bestreiten soll. Das schafft nicht nur die Spieler, sondern oft auch die Zuschauer. Zumal das Bier fließt und fließt und fließt. Eine niederländische Brauerei ist einer der wichtigsten Sponsoren. Ihr gigantischer Biergarten ein Fixpunkt der Feiern.

Auf 16 Turnierplätzen wird in der ersten Woche gespielt, aber selbst in der hintersten Ecke herrscht beste Stimmung. In Australien sind Schulferien, zahlreiche Jugendliche kommen zu den Matches. Der „Ground Pass“ für nur 35 Dollar (23 Euro), der Zugang zu der Anlage, den Nebenplätzen und natürlich dem Biergarten bietet, ist eines der besten Tickets im gesamten Sport. Kleine Grüppchen unterschiedlichster Nationalitäten feuern ihre Landsleute auf dem Tennisplatz an, viele in bunten Hüten, zahlreiche in den Fußballtrikots ihrer Nationen. Eine Tradition, die die Schweden vor etwa 20 Jahren begründet haben, setzen mittlerweile zahlreiche andere Landsmannschaften fort. Auch deshalb, weil in dem Einwandererland Australien Abkömmlinge fast aller Ethnien wohnen. Die allerdings in der jüngeren Vergangenheit auch ab und zu die Konflikte ihrer Vorväter handgreiflich und biergetrieben auf der Anlage ausgetragen haben.

Gerne mit Gummi-Känguru

Aber natürlich ist die Anfeuerung für die Australier noch einmal etwas ganz Besonderes. In gelben Shirts sitzen viele Fans auf der Tribüne, gerne mit Gummi-Känguru im Arm. „Aussie, Aussie, oi, oi, oi!“ rufen sie oder singen die Volksweise von der „Waltzing Mathilda.“ Gänsehautstimmung. Da ist es kein Wunder, dass auch der 41 Jahre alte Patrik Rafter fast 13 Jahre nach seinem Karriereende wegen dauernder Rückenprobleme an der Seite von Lleyton Hewitt (32) im Doppel antreten wird. „Ich will Spaß haben“, sagte Rafter, „am wichtigsten ist aber, wie Lleyton im Einzel abschneidet.“

Der 32-Jährige hatte letzte Woche mit seinem Finalsieg im Vorbereitungsturnier in Brisbane gegen Roger Federer überrascht und trägt erneut die größten Hoffnungen der Australier, erstmals seit 1976 wieder einen einheimischen Sieger zu feiern. Realistisch ist das aber nicht. Titelverteidiger Novak Djokovic hat in den letzten drei Jahren in Australien triumphiert und ist in diesem Jahr mit seinem neuen Trainer Boris Becker angereist. „Leider konnten wir noch nicht miteinander spielen, Boris hat nach seiner Operation noch Probleme“, sagt Djokovic, der sich vor allem eine Verbesserung seines Volleyspiels von dem Leimener verspricht. „Es ist auch gut für den Sport, dass ehemalige Größen als Trainer zurückkehren“, meint der Serbe, der am Montag in der Night Session (9.00 Uhr MEZ/Eurosport) gegen Lukas Lacko in das Turnier einsteigt.

Der nur noch an sechs gesetzte Roger Federer lässt sich von Stefan Edberg beraten, Wimbledon-Sieger Andy Murray wird schon seit Jahren von Ivan Lendl betreut und Sabine Lisicki erhält Hilfe von Martina Hingis. Der topgesetzte Rafael Nadal allerdings wird immer noch von Onkel Toni betreut. Der Spanier hat von allen Topfavoriten auch das gefährlichste Los. Er muss Dienstag gegen den Australier Bernard Tomic antreten, der nirgendwo so stark spielt wie in den Night Sessions in der mit 15.000 Zuschauern voll besetzten Rod-Laver-Arena – „Aussie, Aussie, oi, oi, oi!“