Der 35 Jahre alte Skispringer verabschiedet sich bei der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen mit dem 27. Platz. Der Stadionsprecher würdigt Schmitt unter dem Jubel von 21.000 Zuschauern.

Garmisch-Partenkirchen. Ein letzter Beifallssturm, ein letztes Getröte und ein letzter Jubel für Martin Schmitt – der Lärm der 21.000 Zuschauer übertönt den Stadionsprecher des Neujahrsspringens. Dann saust Altmeister Schmitt die Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen hinunter. 1999 hatte er hier gewonnen, das verlangt jetzt niemand. Es ist schon ein Erfolg, dass er überhaupt im zweiten Durchgang springt. Schmitt landet nach 128,5 Metern. Und er lächelt. Noch ein allerletztes Mal tröten, klatschen und jubeln die Zuschauer nach diesem 27. Platz, aber leiser, irgendwie wehmütig. „Lieber Martin“, ruft der Stadionsprecher. „Du hast uns so viel Freude bereitet. Wir lieben dich. Du bist einer der Großen. Danke, Martin.“ Schmitt steht im Auslauf, genießt still und winkt zum Abschied.

Das war’s. Der 35 Jahre alte einstige Skisprungheld sagt leise – ganz wie es seine Art ist – Servus. Zum 18. und letzten Mal in seiner enorm erfolgreichen, aber in den vergangenen zehn Jahren auch oft frustrierenden Karriere flog er beim Neujahrsspringen den jubelnden Fans entgegen. Sehr wahrscheinlich war es sein letzter Weltcupsprung überhaupt und das Ende seiner sportlichen Laufbahn. „Es war ein besonderer Tag. Ich habe alles bewusst aufgesogen“, sagte er. „Die Kulisse ist der Hammer.“ Wenn Schmitt noch einmal zu diesem speziellsten aller Skisprungwettbewerbe zurückkehren sollte, dann als Gast.

20-Jähriger löst Schmitt ab

Sein langer und harter Kampf um ein versöhnliches Karriereende und eine Rückkehr zu alter Stärke war vergebens, der Traum von seiner fünften Olympiateilnahme bleibt unerfüllt. Und die Vierschanzentournee geht ohne ihn weiter. Bundestrainer Werner Schuster musste sein Team für die Weiterreise nach Innsbruck von 13 auf sieben Sportler dezimieren und gab den letzten Platz an Karl Geiger, 20, statt an den in der Tournee besser platzierten Schmitt. Jugend vor Alter. „Martin hat das sofort akzeptiert. Er ist ein toller Sportler“, sagte Schuster.

Schmitt hatte es geahnt. Denn Geiger gehört zu jenen sieben Springern, die bereits die Norm für die olympischen Winterspiele erfüllt haben. Schmitt zählt nicht dazu. Und Schuster darf im Februar sowieso nur fünf Athleten mit nach Sotschi nehmen – er will Geiger noch die Chance geben, sich zu empfehlen. Schmitt hätte schon in den Top 20 landen müssen, um die letzten beiden Tourneestationen mitmachen zu dürfen. Rein sportlich und nur auf die letzten beiden Wettbewerbe bezogen, hätte sich der 35 Jahre alte Schmitt allerdings eine Vier- statt einer Zweischanzentournee verdient gehabt.

Ein Idol vergangener Tage

Immerhin konnte er sich verabschieden. „Es war mir sehr, sehr wichtig, hier noch einmal live dabei zu sein“, sagte Schmitt in Garmisch-Partenkirchen. Die Qualifikation am Tag zuvor war längst keine Selbstverständlichkeit gewesen. Und dass er es dann als einer von fünf Deutschen in den zweiten Durchgang schaffte, war eine Zitterpartie bis zur letzten Minute. „Ich habe diesen Wettkampf genossen“, sagte er.

Mit Martin Schmitt verabschiedet sich ein Idol vergangener Tage und das letzte Symbol einer glorreichen deutschen Skisprungvergangenheit. Gemeinsam mit Weggefährte Sven Hannawald hatte er seine Sportart in schwindelerregende Höhen geführt und die Teenager zum Kreischen gebracht. Das ist mehr als zehn Jahre her. Schmitt triumphierte bei insgesamt 28 Weltcupspringen, siegte zweimal im Gesamtweltcup und krönte sich 1999 sowie 2001 zum Weltmeister von der Großschanze. Und aus Salt Lake City brachte er 2002 gemeinsam mit der Mannschaft Olympiagold mit nach Hause. Die Zeiten änderten sich. An seinen Erfolgen aber ändert das nichts. „Er hat sehr viel für das deutsche Skispringen getan, und es ist immer wieder schön, wenn er dabei ist“, sagt der 18 Jahre alte Andreas Wellinger voller Achtung.

Mal abgesehen von einem erstaunlich guten Winter im Jahr 2009 sah das Skispringen bei Schmitt im vergangenen Jahrzehnt allerdings oft nach Kampf und Krampf aus. Um Siege und Podestplätze flogen andere. Er machte dennoch weiter, immer weiter. Nicht jeder verstand das. Die einen hatten Mitleid, andere gaben die Hoffnung nicht auf und wieder andere schüttelten verständnislos den Kopf. Die immer wiederkehrende Frage lautete: Warum nur tut er sich das noch an? Schmitts Antwort blieb stets die gleiche: „Ich habe immer noch Spaß am Skispringen. Es hat nach wie vor seinen Reiz. Und ich habe immer noch meinen Ehrgeiz.“

Respekt vom Bundestrainer

Schmitt wollte es in dieser Saison ein letztes Mal versuchen. Sein Antrieb war klar: Er wollte sich vom zweitklassigen Continentalcup zurück in das Weltcupteam springen und träumte von einem Flug bei den olympischen Winterspielen im Februar im russischen Sotschi. Diese Einstellung nötigte auch Bundestrainer Werner Schuster Respekt ab. „Ich finde es bewundernswert, wie er sich vorbereitet hat, wie man mit ihm kommunizieren kann, wie er die Herausforderung angenommen hat“, sagt Schuster über Schmitt. Doch die Herausforderung war eine Nummer zu groß für den Martin Schmitt, der er heute ist.

Dass er sich im Januar weiterhin im Continentalcup quälen wird, ist so eher unwahrscheinlich. „Meine Zielsetzung war ja Olympia“, sagt er. Irgendwann kann auch ein Martin Schmitt nicht mehr. Offiziell aber hat er seinen Abschied noch nicht verkündet. Und ein finales Showspringen? Schmitt will sich in Ruhe Gedanken über alles machen. Der Liebling der Zuschauer ist er in jedem Fall bis zuletzt geblieben – daran ließen die Zuschauer in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen keinen Zweifel. Und der Stadionsprecher hatte recht, als er sagte: „Martin, du bist einer der Großen.“