Nationalkeeper Tim Jessulat beschreibt die Auswirkungen der Regeländerung in der Halle. Ein mögliches Problem der Torhüter: der Fokus liegt nicht auf dem Halten von Bällen, sondern auf dem Auswechseln.

Hamburg. Eine Szene vom vergangenen Sonnabend will Tim Jessulat nicht aus dem Kopf gehen, weil er findet, dass sie die Skurrilität des neuen Spielsystems in der Hallenhockey-Bundesliga so schön beschreibt. Nach dem 6:3-Sieg seines Clubs an der Alster beim Aufsteiger THK Rissen kamen die beiden THK-Torhüter zu ihm und freuten sich, dass sie zu null gespielt hatten. Was bei sechs Gegentreffern kurios klingt, stimmte allerdings: Alle Alster-Tore fielen, als die Rissener zugunsten eines fünften Feldspielers auf ihren Schlussmann verzichtet hatten.

Nur vier statt bislang fünf Feldspieler erlaubt der Weltverband FIH in dieser Hallensaison; wer einen fünften aufbieten will, um sich eine Überzahl im Angriffsspiel zu schaffen, muss dafür den Torhüter auswechseln. Was das für die Keeper bedeutet, kann Jessulat aus eigener Erfahrung berichten. Auch wenn Alster auf die Rotation weitgehend verzichtet, hat der Nationaltorwart einen Eindruck von der Zusatzbelastung bekommen.

Da sich die Wechselzone an der Mittellinie befindet, muss der Torwart bei Ballgewinn seines Teams in vollem Tempo zur Bank laufen, wo der fünfte Feldspieler wartet. Geht der Ball verloren, muss er noch schneller ins Tor zurück. Rissen gelang das gegen Alster nicht. Spitzenteams wie der Harvestehuder THC, der auf Dauerrotation setzt, haben einen Vorteil von der Überzahl, weil sie so schnell und ballsicher sind, dass Konter meist gewinnbringend abgeschlossen werden und der Schlussmann zeitig zurückkehren kann.

„Durch das viele Wechseln kommt man nicht in einen Rhythmus, der Fokus liegt nicht auf dem Halten von Bällen, sondern auf dem Auswechseln. Der Torwart nimmt viel weniger am Spiel teilt“, sagt Jessulat. Außerdem seien die Keeper athletisch wesentlich mehr gefordert. „Unsere Ausrüstung wiegt trocken rund sieben Kilo, nass bis zu zehn. Wenn man das bei jedem Sprint zusätzlich mitschleppt, spürt man nach einem Spiel schon, was man getan hat“, sagt er. Die Attraktivität des Hallenspiels bleibe auf der Strecke. Dass mehr Tore fallen, wie vom Weltverband erhofft, hält der Wirtschaftsinformatiker, der bei der Berenberg Bank arbeitet, für einen Trugschluss. Ein guter Gradmesser dürfte da Alsters Stadtderby beim Uhlenhorster HC am Sonnabend (16 Uhr, Wesselblek) sein, wenn zwei Teams aufeinandertreffen, die beide auf ihre Torhüter setzen und nicht auf Rotation.

Jessulat will Selbstvertrauen tanken für den Kampf um die Teilnahme an der Feld-WM im Juni 2014 in den Niederlanden, der im Januar beim World-League-Finale in Indien beginnt. Nach der Rückkehr soll Anfang Februar die Krönung in der Halle folgen, Jessulats Traum ist die Teilnahme an der Endrunde in Hamburg, am liebsten im Finale gegen den HTHC. Dann könnte sich ultimativ zeigen, welches Spielsystem als überlegen gelten darf.