Der ehemalige Dortmunder erzielte die Führung für die Bayern. Der Rekordmeister zeigte mit dem 3:0 bei der Borussia einmal mehr seine Dominanz

Dortmund. Thomas Müller kann so schnell nichts schocken, doch einige Vorstellungen machen selbst ihm Angst. Ein halbes Jahr die Duelle mit Kumpel Bastian Schweinsteiger auf der Playstation zu verlieren, das wäre bitter. Oder wegen einer Wette sechs Monate im Trikot des TSV 1860 München rumlaufen zu müssen. Die Horrorvorstellung überhaupt ist für die Quasselstrippe des FC Bayern – im Verein „Radio Müller“ genannt – allerdings, so lange kein Gesprächsthema zu haben. „Ich kann mich nicht im November hinstellen und als Meister feiern lassen. Sonst ist ja das nächste halbe Jahr komplett Funkstille. Dann haben wir ja gar nichts mehr zu besprechen“, sagt der Nationalspieler nach dem 3:0 (0:0) im Spitzenspiel bei Borussia Dortmund. Ein Ergebnis als Machtdemonstration.

Sieben Punkte Vorsprung haben seine Bayern nun auf den BVB – und bis zum Ende der Hinrunde das einfachere Restprogramm. Sie spielen unter anderem gegen Eintracht Braunschweig und Werder Bremen, die Borussia gegen Bayer Leverkusen und Hertha BSC. Zudem dürften die Münchner nach vier Siegen in den ersten vier Gruppenspielen in der Champions League weniger Kraft aufwenden müssen als die Borussia. Die Bundesliga fragt sich: Sind diese Bayern zu stoppen?

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagt, für ihn seien die Bayern derzeit die beste Mannschaft der Welt, „besser als Real, besser als Barcelona“. Damit versucht er natürlich auch, seiner Mannschaft nach der Niederlage etwas die Enttäuschung zu nehmen. Doch tatsächlich ist die Bilanz des Rekordmeisters in der bisherigen Saison beeindruckend: 21 Pflichtspiele, nur eine Niederlage, in der Liga noch unbesiegt, saisonübergreifend seit 38 Partien nicht mehr geschlagen. Und in Dortmund erfolgreich, obwohl derzeit fünf Spieler verletzt fehlen, darunter die Leistungsträger Schweinsteiger und Franck Ribéry. Kapitän Philipp Lahm sagt: „Wenn wir jetzt auch noch die nächsten Spiele gewinnen, wird es für die Gegner auch psychologisch schwer.“

Gäbe es Cristiano Ronaldo nicht, könnte der FC Bayern als Inbegriff des Selbstbewusstseins bezeichnet werden. In der vergangenen Saison verlor er in der Liga nur ein Spiel, 1:2 gegen Bayer Leverkusen. „In dieser Saison wollen wir uns gar keine Niederlage leisten“, sagt Toni Kroos. Das Motto der Spieler: riesiges Selbstvertrauen ja, Übermut nein. In der Saison 2011/2012 hatten sie sogar schon acht Punkte Vorsprung – und verspielten die Meisterschaft, Dortmund gewann den Titel. „Wir haben etwas gelernt aus den vergangenen Jahren“, sagt Arjen Robben. Außerdem ist da ja noch Leverkusen – die Rheinländer liegen in der Tabelle lediglich vier Punkte hinter den Bayern auf Platz zwei. „Ich weiß nicht, wie die Leverkusener das machen, aber sie gewinnen auch fast jedes Spiel. Ich würde die nicht unterschätzen“, sagte Müller.

Er harmonierte in der zweiten Hälfte in Dortmund besonders mit Mario Götze. Trainer Pep Guardiola hatte Götze in dessen erstem Spiel beim Ex-Club seit seinem Wechsel im Sommer zunächst auf der Bank gelassen und erst in 56. Minute eingewechselt. Zuvor hatte sich der Nationalspieler aus Respekt vor der Fankurve des BVB nicht mit seinen Kollegen vor der Südtribüne warmgemacht, sondern in den Katakomben des Stadions. Die Einwechslung erwies sich als goldrichtig: Mit Götze und dem ebenfalls eingewechselten Thiago spielten die Bayern besser. Weniger lange Bälle, höheres Tempo, und vor allem – Effektivität. Und zwar eine, die „grausam“ ist, wie Mats Hummels, Dortmunds verletzter Verteidiger, auf seiner Facebook-Seite schreibt.

Götze erzielte das 1:0 (66.), Thiago überzeugte schon in seinem ersten Spiel nach langer Verletzungspause und bereitete das 2:0 von Robben vor (85.), Müller traf zum 3:0 (87.). Götze jubelte bei keinem der Treffer und besuchte nach dem Abpfiff seine ehemaligen Kollegen. „Marios Reaktion nach seinem Tor zeigt seinen Respekt vor Borussia Dortmund“, sagte Sportvorstand Matthias Sammer. Und Kroos konnte die Pfiffe und Transparente der Fans („Judas Götze“) gegen seinen Kollegen nicht verstehen. „Was soll ihm vorgeworfen werden? Er wollte den nächsten Schritt in seiner Karriere machen. Und mit seiner Qualität gehört er nach Bayern – und nicht nach Dortmund.“

Neben Götze war sein Trainer der große Gewinner. Guardiola hatte die Partie als Test für seine Mannschaft ausgerufen. Er wolle sehen, wie weit sie ist. Javi Martinez stellte er offensiver als gewohnt auf, später beorderte Guardiola ihn weiter zurück. Auch mit seinen Einwechslungen beeinflusste der Trainer das Spiel entscheidend, und seine Idee, Lahm im Mittelfeld zu belassen und Rafinha als Rechtsverteidiger aufzubieten, zahlte sich ebenfalls aus. Die Bayern hatten phasenweise Probleme, doch die für ihre Konter bekannten Dortmunder waren nicht effizient. Diesmal waren es die Bayern, die sie mit ihren Einzelaktionen und dem guten Auge im richtigen Moment quasi überfielen. „Wir sind zufrieden, weil wir gegen die beste Kontermannschaft der Welt gewonnen haben“, sagt Guardiola.

Viel Lob, für das sich der BVB nichts kaufen können. „Ihr habt fünf Minuten Zeit für Depressionen“, sagte Trainer Jürgen Klopp in der Kabine. Schließlich steht schon am Dienstag des Champions-League-Spiel gegen den SCC Neapel an, das die Dortmunder unbedingt gewinnen müssen. Die personelle Lage in der Abwehr bleibt nach den Ausfällen von Neven Subotic und Hummels angespannt, Manuel Friedrich ist für die Königsklasse nicht spielberechtigt. Dass Präsident Reinhard Rauball am Sonntag bei der Jahreshauptversammlung bestätigt wurde, konnte die Stimmung kaum verbessern.