Der Verband für Turnen und Freizeit will zur Bewegung animieren. Das Motto: Je früher, desto besser. Diesen Sonntag öffnen deshalb wieder 30 Clubs im Stadtgebiet ihre Sporthallen für den Nachwuchs.

Hamburg. Markus Weise, 50, ist der erfolgreichste deutsche Trainer einer Spielsportart. Mit den Hockeydamen wurde er 2004 Olympiasieger, mit den Herren 2008 und 2012. Dass sich diese Erfolge nicht beliebig wiederholen lassen, weiß Weise. Doch seine Sorgen sind grundsätzlicher Art: „Es geht mir nicht um den Leistungssport. Wenn du heute in Untersuchungen liest, dass es Kinder in Deutschland gibt, die keine 100 Meter laufen, und zwar nicht am Tag, sondern in der Woche, dann muss man sich nicht wundern, dass wir eine Gesellschaft haben, die immer mehr verfettet und verzuckert. Auf diesem Weg sind wir. Und ich sehe bislang wenige Ansätze, wie diese Entwicklung umgekehrt werden kann.“

Der Mangel an frühkindlicher Bewegung ist kein deutsches Phänomen. Weltweit gehen die körperlichen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen zurück. Ursachen dafür gibt es viele: steigender Medienkonsum ist eine, die Versiegelung und Bebauung natürlicher Spielräume eine andere. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung pro Tag an mindestens vier Tagen der Woche. Forschungsarbeiten der Universität Ulm haben ergeben, dass rund die Hälfte der Kinder, die regelmäßig aktiv sind, weniger krank werden und in der Schule fehlen.

Inaktivität ähnlich gefährlich wie das Rauchen

Die Erfahrung zeigt auch: Je früher Kinder in die Bewegungswelt einsteigen, desto selbstverständlicher wird diese später für sie als Erwachsener. Wer als Kind Sport treibt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Leben lang aktiv bleiben und diese Einstellung seinen Nachkommen vermitteln. Regelmäßige Bewegung vermindert das Risiko für Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes, Depressionen, Darm- und Brustkrebs.

„Körperliche Aktivität ist ein maßgeblicher Faktor des Energieverbrauchs und von grundlegender Bedeutung für die Gewichtskontrolle. Das Gesundheitsrisiko von Inaktivität wird ähnlich dem des Rauchens eingestuft“, schreiben die Autoren der Ulmer Studie in der „Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin“. Ihre Schlussfolgerung: Eine verstärkte Förderung körperlicher Aktivitäten bei Kindern und der frühzeitige Beginn dieser Förderung sei dringend geboten. Die tägliche Sportstunde an Grundschulen wäre eine solche Maßnahme.

Wer schlaff ist, kann sich nicht lange konzentrieren

Die Politik hat diese Erkenntnisse registriert, geändert hat sich wenig. Unser Gesundheitssystem reagiert in der Regel dann, wenn der Patient mit Beschwerden in die Arztpraxis kommt. Dabei könnten Milliarden gespart werden, würde vorgebeugt. Bewegung bleibt neben der Ernährung die beste Prävention. Bereits im frühen Kindesalter erzeugt ein Mangel an Bewegung Bindegewebsschwächen im Sinne von Knick-Senkfüßen, Rundrücken, Skoliose (seitliche Verbiegung der Wirbelsäule) und hängenden Schultern.

Wer seine Muskulatur nicht trainiert, wird schlaff. Wer schlaff ist, kann sich nicht lange konzentrieren, und wer sich nicht lange konzentrieren kann, dem fällt am Ende alles im Leben schwer. Den Zusammenhang zwischen Motorik und Intelligenz haben Studien belegt. Je mehr Reize das Gehirn zu verarbeiten hat, desto mehr Verbindungen (Synapsen) muss es schalten. Wer gelernt hat, sich sicher zu bewegen, wer weiß, wo links, rechts, oben und unten ist, dem fallen lesen und schreiben leichter, der verdreht nicht Buchstaben wie „b“ und „d“.

30 Clubs im gesamten Stadtgebiet öffnen ihre Sporthallen

Der Verband für Turnen und Freizeit (VTF), mit rund 150.000 Mitgliedern der größte im Hamburger Sportbund (HSB), hat auch aus diesen Gründen vor zehn Jahren, am 16. November 2003, den Kinderturnsonntag eingeführt. Jetzt folgt die elfte Auflage.

An diesem Sonntag öffnen wieder 30 Clubs im gesamten Stadtgebiet ihre Sporthallen für den Nachwuchs. Unter dem Motto „Entdecke deine Stärke“ können Ein- bis Siebenjährige in meist vielseitigen Bewegungslandschaften ihre Fähigkeiten erproben und den Spaß am Sport spielerisch entdecken. Alle Angebote sind kostenlos. Fachkundige Übungsleiter dienen Eltern und Großeltern vor Ort als Ansprechpartner.