Die Handballer des HSV sind dem Tabellenführer THW Kiel wieder auf den Fersen. Die Hamburger gewannen das Spitzenspiel am Sonntag mit 33:32 gegen die Füchse Berlin.

Berlin. Als Hans Lindberg zur Siebenmeterlinie schritt, nur vier Sekunden waren verblieben von einem großartigen Handballspiel, da gab ihm der Hallensprecher eine Botschaft mit auf den Weg: „In solchen Situationen werden Legenden geboren.“ Vor dem HSV-Rechtsaußen hatte Petr Stochl seine 1,95 Meter aufgebaut. Den tschechischen Torhüter hatten die Füchse Berlin unmittelbar vor dem Anpfiff als ersten Spieler in ihre offizielle „Legendengalerie“ aufgenommen. Auf ihn also waren die Worte des Hallensprechers gemünzt gewesen. Hätte Stochl pariert, dann hätte er den Füchsen einen kaum noch erhofften Punkt gerettet.

Lindberg scherte sich nicht um all das und auch nicht darum, dass er kurz zuvor einen Strafwurf, den potenziellen Siegtreffer, über das Tor gesetzt hatte. Er täuschte einmal mit weit ausholender Bewegung an, noch einmal kurz, dann wuchtete er den Ball zum 33:32 (16:19)-Endstand ins Tor.

Ob Lindberg damit zur Legende geworden ist, haben Hallensprecher nicht zu entscheiden. Wahrscheinlich ist es der Däne längst, weil Ausnahmeleistungen wie in diesem Bundesliga-Spitzenspiel bei ihm die Regel sind. Lindberg hatte auch am Mittwoch im Pokalspiel gegen Göppingen herausgeragt. Der HSV verlor dennoch. Am Sonntag waren auch andere Spieler hervorzuheben. Und auch wenn Trainer Martin Schwalb hinterher beteuerte, dieser achte Erfolg hintereinander habe „keine Aussagekraft für den weiteren Saisonverlauf“: Der HSV geht damit als Meisterschaftsanwärter in die zehntägige Bundesligapause.

„Für unsere Moral war dieser Erfolg sehr wichtig“, sagte Kapitän Pascal Hens. Der Wille zur Bewältigung der Pokalvergangenheit hatte schnell seinen Niederschlag auf dem Spielfeld gefunden. Der HSV war im Angriff um eine Tempoverschärfung nicht nur stets bemüht, sie gelang ihm auch immer öfter. Kein Gegentor, das die Hamburger nicht mit einer schnellen Mitte – dem sofortigen Wiederanwurf – beantworten wollten, keine Gegenstoßgelegenheit, die unversucht blieb. Der Ball zirkulierte zügig durch die Reihen, der Kreis und die Außen – Angriffszonen, die noch gegen Göppingen weitgehend unbearbeitet geblieben waren – wurden konsequent ins Spiel eingebunden.

Beispielhaft sei die Szene aus der 19. Minute genannt, als Zarko Markovic in der 19. Minute Rechtsaußen Hans Lindberg in Szene setzte und damit nachwies, dass er mehr kann, als nur wuchtig aufs Tor zu ballern. Diese seine Spezialität vergaß Markovic darüber zum Glück nicht. Überhaupt entwickelte der Hamburger Rückraum nun jene Torgefahr, die er gegen Göppingen noch schuldig geblieben war.

Die vielen kleinen Fortschritte verpufften allerdings fast unbemerkt, weil Johannes Bitter im Tor diesmal kaum einen Ball zu fassen bekam. Als er nach 26 Minuten Marcus Cleverly Platz machen musste, hatte er gerade einmal zwei von 18 Würfen abwehren können. Auch unterblieb in der Abwehr oftmals die letzte Entschlossenheit.

Blazenko Lackovic sollte das ändern. Schwalb wechselte den Kroaten, der wegen seiner Schulterschmerzen längere Zeit nicht hatte spielen können, in die Deckungsmitte. „Wir wollten die Berliner früher attackieren und schneller auf den Beinen sein“, sagte Schwalb und sah sich bestätigt: „Was Lac und Domagoj Duvnjak dahinten weggearbeitet haben, war schon klasse.“ Fortan fanden die Füchse kaum noch ein Schlupfloch in der HSV-Abwehr und sahen sich ein ums andere Mal gezwungen, zum letzten Mittel zu greifen, um zu Toren zu kommen: roher Gewalt.

Damit immerhin waren sie erfolgreich genug, um nach 51 Minuten 29:27 in Führung zu sein. Fredrik Petersen schien es in dieser Phase ein Anliegen, dem HSV vorzuführen, dass es ein Fehler war, sich vergangene Saison nicht frühzeitig um eine Vertragsverlängerung mit dem Schweden bemüht zu haben. Beim Siebenmeter zum möglichen 30:29 scheiterte Petersen allerdings am wieder eingewechselten Bitter.

Die Geschichte dieses Spiels sollten, neben Lindberg, in der Tat andere schreiben. Adrian Pfahl zum Beispiel, der in der 58. Minute kurz nach seiner Einwechslung alle Ellbogenschmerzen und die katastrophale Bilanz von null Toren aus sechs Versuchen gegen Göppingen einfach für einen entscheidenden Moment vergaß und in Unterzahl die 31:30-Führung für den HSV herauswarf. Damit dürfte sich Pfahl auch einen Platz in der Nationalmannschaft für den DHB-Supercup am kommenden Wochenende in Bremen und Hamburg gesichert haben. Schwalb empfahl seinem Halbrechten für den am Montag beginnenden Lehrgang vorsorglich, „etwas für Beine und Schnelligkeit zu tun und erst spät den Ellbogen zu belasten“.

Diejenigen, die nicht zu ihren Nationalteams reisen, treffen sich am Vormittag zum Regenerationstraining. Am 6. November gegen Magdeburg, den einzigen Kiel-Bezwinger der Saison, ist man wieder gemeinsam gefordert. Das Spielmotto hat Schwalb bereits am Sonntag ausgegeben: „Gallig bleiben.“

Tore, Füchse Berlin: Petersen 8 (4 Siebenmeter), Igropulo 6, Horak 5, Zachrisson 4, Jaszka 3, Christophersen 2, Nielsen 2, Wiede 1, Fernandez 1; HSV Hamburg: Lindberg 12 (7), Duvnjak 7, Markovic 5, Nilsson 3, Hens 2, Jansen 2, Lackovic 1, Pfahl 1. Schiedsrichter: Geipel/Helbig (Steuden/Landsberg). Zuschauer: 9000 (ausverkauft). Zeitstrafen: 7; 6.