Amerikanisches Oracle-Team verteidigt nach fast aussichtslosem 1:8-Rückstand doch noch den America’s Cup gegen Neuseeland

San Francisco. Es waren Bilder, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. James Spithill, Skipper und Steuermann vom Oracle Team USA, strahlte bereits, noch bevor sein riesiger AC-72-Katamaran die Ziellinie querte. Wieder war der Abstand des amerikanischen Bootes zum neuseeländischen Team gewaltig. Als sie das Ziel schließlich erreichten, hatten die US-Segler im Finale um den America’s Cup Sportgeschichte geschrieben.

Kaum ein Mensch hatte es noch vor einer Woche für möglich gehalten: Aus einem 1:8 machten die US-Amerikaner ein 9:8, damit blieb die wertvollste Trophäe im Segelsport und die älteste überhaupt (seit 1851) in den USA. Spithill sprach vom „größten Comeback in der Geschichte des Cups“.

Der Neuseeländer Dean Barker dagegen ist der große Verlierer. Acht Rennen in Folge verloren er und seine Crew, dabei hatte er noch zehn Tage zuvor fast unschlagbar gewirkt. Es war Barkers dritter Anlauf, den America’s Cup zu gewinnen, und nie zuvor war er der berühmten Trophäe so nahe gekommen. Bei einem kurz vor dem Ziel wegen Zeitüberschreitung abgebrochenen Rennen fehlten den Neuseeländern ein paar Hundert Meter zum Gesamtsieg.

Rückschläge im Sport kommen immer wieder vor, aber nicht in dieser Dimension. Segeln ist in Neuseeland eine nationale Angelegenheit, Tausende Fans verfolgten die Wettfahrten. Darum meldete sich alsbald auch Premierminister John Key: „Es tut mir sehr leid für das Team. Es hat Jahre für diese Kampagne gearbeitet.“ Barker selbst, einer der besten Segler der Welt, kamen nur schwer Worte über die Lippen. Er sagte: „Ich habe traumatische, aber auch traumhafte Momente erlebt.“ Seine Gesichtszüge und seine Körpersprache verrieten, welche davon ihn gerade beschäftigten. Bei der Zieldurchfahrt waren ihm Tränen über die Wangen gelaufen.

Der märchenhafte Aufstieg der Amerikaner hatte verschiedene Ursachen. Da war zuerst jener Mann, der auf dem Boot die Position hinter Steuermann Spithill eingenommen hatte und von dem Spithill sagte, von ihm sei immer ein glockenhelles Klingen zu hören: der Brite Ben Ainslie. Er spielte damit auf Ainslies vier olympische Goldmedaillen an. Ainslie übernahm an Bord von Oracle die Position des Taktikers und wurde von Rennen zu Rennen immer besser. Er spürte offenbar jeden Windhauch, jedes Windloch und harmonierte von Tag zu Tag besser mit dem Australier Spithill. Erst die drohende Niederlage hatte Spithill überhaupt veranlasst, ihn an Bord zu holen. Damit leitete er die Wende der Serie ein, die schon entschieden schien.

Den Amerikanern, finanziert vom New Yorker Milliardär Larry Ellison, gelang es zudem, ihr Boot sukzessive zu verbessern. Tagsüber segelte die Crew, nachts arbeiteten Designer und Techniker am Boot. Sie waren so gut, dass am Ende ihr Katamaran einfach schneller war. Entscheidenden Einfluss hatte Teamchef Russell Coutts, viermaliger America’s-Cup-Sieger, der – ausgerechnet – aus Neuseeland stammt. Ellison verneigte sich noch am Abend des Triumphes vor Coutts: „Er ist unser Anführer. Er hat in meinem Team so lange einen Job, wie er will.“ Für seine Dienste für Oracle soll er angeblich ein zweistelliges Millionengehalt erhalten. In seiner Heimat gilt er als meistgehasster Sportler, weil er zuvor schon mit der Schweizer „Alinghi“ seine Landsleute besiegt hatte.

Dank des Geldes von Ellison verfügte das US-Team über die Mittel, sein Boot zu verändern. Die Neuseeländer konnten es nicht. Dabei waren sie es, die das sogenannte Foilen, das fliegende Segeln auf Kufen, entwickelten und damit ihren Katamaran auf Geschwindigkeiten von rund 80 km/h trieben. Trotzdem war Spithill am Ende schneller.

Wie es weitergeht mit dem America’s Cup, ist offen. Coutts und Ellison wissen, dass sie das Konzept ändern müssen. Beide wollen, dass die Kampagnen künftig nicht mehr so viel Geld verschlingen. Wenn nur drei Boote um den Einzug des Cups kämpfen, wie dieses Mal bei der Herausforderer-Runde, ist das ein Armutszeugnis für den Veranstalter. Dagegen steht, dass die härteste und längste Auseinandersetzung um den Cup eben auch die spektakulärste in der Geschichte war.

„Dieser America’s Cup hat den Segelsport für immer verändert“, sagte Ellison. „Es war die schönste Regatta, die ich jemals gesehen habe.“ Deutschlands Starsegler Jochen Schümann, selbst zweimaliger Cup-Sieger, kritisierte die Technologie, die kaum mehr an „typischen Segelsport“ erinnere, und die Kosten. 100 Millionen Euro allein für die Teilnahme seien einfach zu teuer. Dennoch sieht er Chancen für eine zweite deutsche Kampagne nach 2007: „Wir haben in unserem Land die Technologie, die Mittel und die Leute, um im America’s Cup zu bestehen.“