Auch im EM-Halbfinale gegen Belgien wollen die deutschen Volleyballfrauen von ihrem großen Teamgeist profitieren

Halle/Westfalen. Eine halbe Stunde nach Spielschluss war die Stimmung noch immer überschäumend: Während seine Spielerinnen den Journalisten in der Mixed Zone des Tennisstadions mit leuchtenden Augen von ihren neuen Glanztaten berichteten, ging Bundestrainer Giovanni Guidetti in ihrem Rücken Richtung Kabine und schüttete im Vorbeigehen jeder einzelnen Spielerin Wasser in den Nacken. Die Folge war ein großes Giggeln und Juchzen. Mittelblockerin Corina Ssuschke-Voigt schaute verdutzt und beruhigte dann: „Ist ja nur Wasser.“

Schon am Sonnabend, wenn in Berlin das Finale um die Volleyball-Europameisterschaft der Frauen beendet ist, könnte das gleiche Prozedere mit werthaltigeren Getränken stattfinden. Zumindest, wenn es nach dem Willen der deutschen Mannschaft geht. Die ist auf ihrem Weg zum angestrebten Titelgewinn bei der Heim-EM auf die Zielgerade eingebogen, das Projekt Gold befindet sich in der Endphase. Vier Siege hat es bislang gegeben, der letzte war ein rauschendes 3:0 im Viertelfinale gegen Kroatien. Nach einer kurzen Nacht verließen Guidetti und seine Spielerinnen das Städtchen Halle in Ostwestfalen, um sich per Bahn auf den Weg nach Berlin zu machen, wo die deutsche Mannschaft an diesem Freitag (20 Uhr, Sport1 live) in der Max-Schmeling-Halle das Halbfinale gegen Belgien bestreitet.

Dies sei zwar ein schwerer aber durchaus machbarer Gegner, glaubt Guidetti. Fünf Mal sind die deutschen Frauen in dieser Saison bislang dem Nachbarn begegnet, drei Mal gab es einen Sieg. Unter anderem beim Finale in der Europa League (3:2). Der Traum, nach den beiden Titeln durch die DDR-Mannschaft 1983 und 1987 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik den Europameistertitel zu holen, lebt also weiter. Auch wenn Guidetti nicht müde wird, die Stärken des Kontrahenten hervorzuheben: „Die spielen so wie wir, gute Aufschläge, gute Organisation im Block und in der Feldabwehr.“

Schon gegen die physisch robusten Kroatinnen musste die Mannschaft um Spielführerin Margareta Kozuch verbissen um jeden Punkt kämpfen, um sich am Ende recht deutlich durchzusetzen. Seit Jahren glänzt die deutsche Auswahl mit bewundernswerter Moral und mitreißender Kampfkraft. Werte, die dieses Ensemble zu einer besonderen Mannschaft machen. „Genau das macht uns als Team aus, das haben wir uns über Jahre erarbeitet”, sagt Ssuschke-Voigt: „Darauf sind wir sehr stolz.”

Wie fast alle ihre Mitspielerinnen verdient die Dresdnerin ihr Geld im Ausland, zuletzt war sie in Baku (Aserbaidschan) beschäftigt. In ihren Clubs erlebt sie regelmäßig, „wie eine Ansammlung von Stars einfach so zusammenspielt ohne zusammenzuhalten”. Die deutsche Mannschaft macht es besser, weil sie keine Alternative hat. Eine Athletin wie Zuspielerin Kathleen Weiß, die für Bergamo in der italienischen Liga die Bälle verteilt, ist mit 1,71 Metern eigentlich viel zu klein für das europäische Spitzenniveau. Dennoch spielt sie gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen eine gute Rolle, „weil kein Team so kämpfen kann wie wir”.

Der Protagonist dieser Kultur heißt Giovanni Guidetti. 2006 übernahm der 40-Jährige die Auswahl, seitdem lebt er das Credo vor. Wenn der Bundestrainer über die Mannschaft seines Herzens spricht, tut er das mit einem Pathos, zu dem wohl nur Italiener fähig sind. Dann spricht er über Liebe, Leidenschaft und andere große Gefühle. Nach dem Viertelfinalerfolg gegen Kroatien sagte Guidetti: „Ich danke Gott, dass Volleyball ein Mannschaftssport ist. Wir sind nicht so größer als die anderen, haben nicht die bessere Technik oder mehr Kraft. Aber wir sind ein Team.“