Istanbul und Madrid waren bei der Vergabe der Spiele 2020 chancenlos. Ringen bleibt im Programm

Buenos Aires. IOC-Vize Thomas Bach parlierte nach Tokios zweitem Olympiasieg locker über die Münchner Bewerbungspläne für 2022 und seinen persönlichen Gipfelsturm. Der 60:36-Finalsieg der japanischen 35-Millionen-Metropole gegen Istanbul um die Sommerspiele 2020 trotz verschärfter Probleme in der Reaktorruine in Fukushima habe weder auf seine präsidialen Pläne noch auf eine eventuelle Kandidatur der Isarmetropole für die Winterspiele 2022 irgendwelche Konsequenzen, erklärte Bach in Buenos Aires.

Bach äußerte kein Wort der Kritik an der Entscheidung, Tokio zum zweiten Mal nach 1964 zum Olympia-Gastgeber zu machen und damit der aufstrebenden Sportmacht Asien den nächsten Milliardengewinn zuzuschanzen – Deutschlands Ober-Olympier wollte in den letzten Stunden seines Wahlkampfs vor dem Votum an diesem Dienstag um das wichtigste Amt im Weltsport keine Wähler verprellen. „Das war eine Grundsatzentscheidung für Tradition und Stabilität und gegen den Aufbruch zu neuen Ufern“, sagte der Jurist aus Tauberbischofsheim. „Ich kann weiter problemlos schlafen“, sagte Bach auch. Der 59-Jährige gibt sich siegessicher und gelassen. Seine Hauptkonkurrenten Richard Carrion (Puerto Rico) und Ng Ser Miang (Singapur) sind es auch.

Die Olympier verkauften den Zuschlag für Tokio im Dreikampf mit Istanbul und Madrid als Entscheidung für Sicherheit, Tradition und Stabilität, in Wahrheit aber haben sie ihr Schicksal und das ihrer Athleten mit einem schwer beschädigten Atomreaktor verknüpft. Seit der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe am 11. März 2011 reißen die Hiobsbotschaften aus Fukushima nicht ab. In der Vorwoche wurde dort sogar ein Strahlenrekordwert gemessen, der für Menschen ohne Schutzanzug innerhalb von vier Stunden tödlich ist. Nuklearverseuchtes Wasser aus undichten Kühltanks sickert in den Pazifik, weitere Lecks werden befürchtet.

250 Kilometer weiter südlich in Tokio sei das Leben normal und „alles unter Kontrolle“, versicherte Japans Premierminister Shinzo Abe. Für die vermeintlich verantwortungsbewussten Olympier schien der Nuklearunfall weniger bedrohlich zu sein als die spanische Wirtschaftskrise und Arbeitslosenquote von 26,3 Prozent, die Madrids dritte Kandidatur belastete. Auch Istanbul, gehandicapt durch die kritische innenpolitische Lage in der Türkei und die Nähe zum Bürgerkrieg im benachbarten Syrien, war chancenlos. „Glückwunsch an Tokio. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Freunde ausgezeichnete Spiele ausrichten werden“, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge bei der Unterzeichnung des Veranstaltervertrages drei Tage vor dem Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit.

„Entdecke das Morgen“ war der Slogan der Japaner, die bei ihrer Bewerbung auf ein Konzept in zwei Zonen setzten. 85 Prozent der Wettkampfstätten liegen in einem Radius von nur acht Kilometern zum olympischen Dorf. „Tokio ist der richtige Partner zur richtigen Zeit“, sagte Japans IOC-Mitglied Tsunekazu Takeda in der argentinischen Hauptstadt. Im 18.400 Kilometer entfernten Tokio wirkte die Nachricht um 5.20 Uhr Ortszeit am Sonntagmorgen wie ein Mutmacher für die krisenerprobten Bürger. Im Vergnügungsviertel Shibuya skandierten Tausende „Nippon, Nippon“ – „Japan, Japan“.

Japans Kapitale darf als fünfte Stadt in der olympischen Geschichte nach Paris (1900/1924), London (1908/1948/2012), Los Angeles (1932/1984) und Athen (1896/2004) zum zweiten Mal das größte Sportfest ausrichten. Das Ja pro Tokio nur zwei Jahre nach den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang diente als weiterer Beleg für das wirtschaftliche Expansionsdenken des IOC. Tokio 2020 versprach die höchsten Prime-Time-Einschaltquoten der olympischen TV-Geschichte und den größten Ticketmarkt der Welt – der bevölkerungsreichste Kontinent macht es möglich. Istanbuls Plädoyer für eine Olympiapremiere in der muslimischen Welt wurde auch beim fünften Anlauf nicht erhört.

Dafür gilt der Schmelztiegel zwischen Orient und Okzident jetzt als Favorit auf die Ausrichtung der Halbfinals und des Endspiels der Fußball-EM 2020. Doch dass nun jedes Puzzleteil von selbst an seinen Platz fällt, dem ist nicht so. „Die Tatsache, dass Istanbul nicht die Olympischen Spiele bekommen hat, heißt im Umkehrschluss nicht automatisch, dass sie das Finalpaket für die EM 2020 bekommen. Wir haben deshalb immer gesagt, dass wir uns alle Optionen offenhalten“, sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock. Der DFB bewirbt sich mit München auch für die EM-Finalspiele.

Indes bleibt Ringen olympisch. Die Mitglieder des IOC wählten die Traditionssportart wieder ins Programm für die Sommerspiele 2020 und 2024 und erteilten Baseball/Softball und Squash eine Absage. Ringen setzte sich mit der absoluten Mehrheit von 49 Stimmen im ersten Wahlgang durch.