Am Sonnabend wird in Buenos Aires der Gastgeber der Olympischen Spiele 2020 gewählt. Madrid und Tokio gehen fast gleichauf in die entscheidende Abstimmung. Istanbul hat an Boden verloren.

Buenos Aires. Olympia-Premiere auf zwei Kontinenten, Tradition vor dem Kaiserpalast oder vielleicht doch eine Fiesta im traditionsreichen Fußball-Tempel Estadio Bernabéu? Immer wieder präsentieren die Bewerber Istanbul, Tokio und Madrid im Endkampf um die Olympischen Spiele 2020 ihre Trümpfe. Bis zur alles entscheidenden Abstimmung am Sonnabend in Buenos Aires haben die Millionen-Metropolen noch Zeit, mit Hilfe von Polit-Prominenz, Sportstars und Lobbyisten die stimmberechtigten Mitglieder zu überzeugen. „Am Ende werden zwei, drei Stimmen den Unterschied ausmachen“, glaubt der scheidende IOC-Präsident Jacques Rogge.

Im Schlussspurt um den Milliardenpreis sind die Bewerberstädte in ihren Unterschiedlichkeiten vereint. Der IOC-Prüfbericht bescheinigt allen Kandidaten die Fähigkeit, „erfolgreiche Spiele“ abwickeln zu können. IOC-Spitzenfunktionär Dick Pound fragt trotzdem: „Wo sollen wir denn hingehen? Keine der Bewerbungen ist ohne Risiko.“ Und mit Risiko-Spielen hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht.

Die mehr als 50 Milliarden Dollar teuren Retortenspiele im kommenden Februar in Sotschi werden durch drohende Terroranschläge, Korruptionsvorwürfe, Menschenrechtsverletzungen und die weltweite Empörung über das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz belastet. Die Macher der Sommerspiele 2016 in Rio müssen wegen massiver Bauverzögerungen sogar mit einer IOC-Verwarnung rechnen.

Madrids Vorteil: 28 der 35 Sportstätten gibt es bereits

„Wir suchen nach der Stadt, die uns zum jetzigen Zeitpunkt die sicherste Option bietet“, erklärt Kevan Gosper, Vorsitzender der IOC-Pressekommission. Istanbul wirbt als Schmelztiegel zwischen Europa und Asien mit einer Öffnung Olympias für die muslimische Welt – und einer boomenden Wirtschaft. Tokio, bereits 1964 Olympia-Gastgeber, stellt die Kompaktheit seiner Sportstätten in den Vordergrund und positioniert sich ebenfalls als finanziell „sichere Wahl“ mit einem fest angelegten Reserve-Fonds in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar.

Madrid verkauft sich eher als Gegenmodell zum olympischen Gigantismus. Von den 35 geplanten Sportstätten existierten bereits 28 und das Gesamtbudget belaufe sich auf lediglich 1,9 Milliarden Dollar, tönt Frontmann Alejandro Blanco. Zum Vergleich: Tokio kalkuliert mit einem Etat von 4,9 Milliarden Dollar, Istanbul hat sogar 19,2 Milliarden Dollar veranschlagt.

Fukushima-Katastrophe schlecht für die Tokio-Bewerbung

„Mehr als sonst spielen diesmal die Schluss-Präsentationen eine Rolle“, vermutet IOC-Vize Thomas Bach. Seit Tagen schon proben die Bewerbungskomitees ihre Schluss-Vorstellungen. Alle Delegationen werden von den jeweiligen Premierministern angeführt. Japans Shinzo Abe, Spaniens Mariano Rajoy und Recep Tayyip Erdogan für die Türkei werden unmittelbar nach dem G-20-Gipfel von St. Petersburg aus in die argentinische Hauptstadt reisen.

Die politischen Schwergewichte sind vor allem als Stimmenfänger und Krisenmanager gefragt. Die verschärften Probleme in der Atomruine Fukushima sorgen im Team Tokio für Unruhe zur Unzeit. Hunderttausende Liter hochverstrahlten Wassers aus undichten Kühlwassertanks sickern in den Pazifik, in Pfützen auf dem AKW-Gelände werden teils tödliche Strahlenwerte gemessen. In Tokio sei das „Leben absolut normal“, versichert Bewerbungschef Tsunekazu Takeda. Die Radioaktivität in der 35 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt sei die gleiche wie in London, Paris oder New York.

Turbulenter Sommer schwächt Istanbul

Madrids Ambitionen werden durch die weiterhin angespannte wirtschaftliche Lage, eine Arbeitslosenquote von 26,3 Prozent und die wenig überzeugende Aufklärung des Dopingskandals „Operación Puerto“ behindert. Dies spiele 2020 alles keine Rolle mehr, tönt das spanische IOC-Mitglied Juan Antonio Samaranch Jr. Immerhin geht Madrid dank einer imposanten Aufholjagd in den vergangenen zwölf Monaten als Mitfavorit neben Tokio in die Abstimmung am Sonnabend.

Bei Istanbul, vor einem halben Jahr noch aussichtsreichster Bewerber, verläuft die Entwicklung genau andersherum. Nach einem turbulenten Sommer sind die Türken bei ihrem fünften Anlauf, Olympia-Gastgeber zu werden, in Erklärungsnot geraten. Gewalttätige Anti-Regierungskundgebungen, der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien und die jüngste Dopingwelle mit mehr als 30 überführten Athleten haben für kollektive Ernüchterung gesorgt. „Wir sind bereit wie nie“, wiederholt Hasan Arat, der Vorsitzende von Istanbul 2020, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die Magie sei zurück. Fast klingt es so, als müsse er sich selbst überzeugen.