Er kam, sah und siegte. Kevin-Prince Boateng spielte beim 2:0-Erfolg der Gelsenkirchener gegen Bayer Leverkusen unspektakulär, wurde aber von allen Seiten als Hoffnungsträger gefeiert.

Gelsenkirchen. Als Kevin-Prince Boateng ging, feierten 60.000 Fans, sangen das Lied vom FC Schalke 04 und erhoben sich von ihren Plätzen: Standing Ovations für den 26-jährigen Mittelfeldspieler, den die Schalker für zwölf Millionen Euro Ablöse vom AC Mailand losgeeist hatte. Boateng klatschte Beifall nach allen Seiten, ging gemächlich vom Platz und wurde von Jens Keller in Empfang genommen. Der Schalker Trainer, nicht bekannt für eine überbordende Körpersprache, ließ seinen neuen Hoffnungsträger nicht mit einem Abklatschen davonkommen. Er bedankte sich mit einer Umarmung.

Wofür? Boateng hatte beim 2:0 über Leverkusen 83 Minuten lang ein eher unspektakuläres Debüt für den zuletzt krisengeplagten Traditionsverein gegeben. Doch offenbar tat allein seine Anwesenheit Schalke gut. Denn mit ihm und Dennis Aogo zeigte das Team ein ganz anderes Gesicht.

„Ich bin wahnsinnig stolz auf diese Mannschaft. Wir haben so auf die Ohren gekriegt“, sagte Keller nach dem ersten Saisontriumph und dem zweiten Pflichtspielsieg in Folge. Am Dienstag hatte sich seine Mannschaft mit Hängen und Würgen für Champions League qualifiziert und mit Glück dem aufgeheizten Verein eine Zerreißprobe erspart. Und am Sonnabend folgte die erste überzeugende Vorstellung seines Teams in der neuen Saison überhaupt.

„Uns wurden Mentalitätsprobleme und sonstige Dinge unterstellt“, sagte der Trainer und konnte die Genugtuung gegenüber seinen zahlreichen Kritikern nicht verhehlen. Der Druck sei enorm gewesen: „Und wenn die Mannschaft dann heute solch eine Leistung abruft, läuferisch, kämpferisch und taktisch – dann bin ich erst mal stolz.“ Auch Horst Heldt war „sehr glücklich“. Der Manager hatte nach den desillusionierenden Leistungen der vergangenen Wochen die Reißleine gezogen und im Vorgriff auf die garantieren 20 Millionen Euro aus der Champions-League-Gruppenphase groß investiert: In zwei Spieler, die nicht nur den Kader komplettieren sollen. Aogo und Boateng sollen die Schalker Mannschaft führen.

Boateng und auch Dennis Aogo sollen das Schalker Team führen

„Kevin-Prince ist ein Leader. Er hat eine unglaubliche Präsenz. Er ist jemand, der die Mannschaft mitreißt“, lobte der Manager seinen neuen Star, der sich vom früheren Enfant terrible der Liga mit einem Hang zu Undiszipliniertheiten und Übermotivation in den vergangenen drei Jahren beim AC Mailand zu einer Persönlichkeit entwickelt hat. Zweifel daran, dass Boateng bereits auf Anhieb seine neuen Kollegen aus der Krise führen kann, hat Heldt jedenfalls nicht. Boateng sei vielmehr „ein Glücksgriff“, der Schalke „in der ganzen Saison“ zugutekommen werde. So viel Vorschusslorbeeren waren dann selbst Boateng, früher nicht gerade für übertrieben unbescheidenes Auftreten bekannt, ein wenig unangenehm. „Sie stufen mich hier als Leader ein. Aber ich sehe mich selbst nicht so“, sagte er: „Ich will einfach Leistung bringen und den jungen Spielern helfen.“

Was hatte er, Stand Sonnabend, denn auch schon für Schalke getan? Einmal mit dem Team trainiert, eine Pressekonferenz zu seiner Vorstellung abgehalten und ein Spiel absolviert. Zudem eines, in dem für ihn persönliches noch nicht alles perfekt gelaufen war.

„Es hat noch nicht alles funktioniert“, sagte Julian Draxler, der für Boateng seine Lieblingsposition im zentral-offensiven Mittelfeld hatte räumen müssen, über das Zusammenspiel mit dem prominenten Zugang. Aber auch Draxler, der sich im Sinne einen raschen Integration des ghanaischen Nationalspielers klaglos auf die linke Seite schieben ließ, ist davon überzeugt, dass Boateng der Typ sei, der der Mannschaft gefehlt habe. „Er stellt auf dem Platz etwas dar. Deshalb sind alle froh, dass wir ihn haben“, sagte er.

Es wirkte so, als ob sich Draxler ehrlich darüber freue, endlich über einen Mitspieler im Mittelfeld zu verfügen, mit dem er kombinieren kann. Ein Problem, das die Schalker fast gelähmt hatte, war das umständliche, langsame Umschalten von Abwehr auf Angriff: In den vergangenen Wochen hatte es nur wenig Kombinationsfluss gegeben.

Die Diskussionen um Trainer Jens Keller sind zumindest einmal vertagt

Nicht zuletzt dank Aogo und Boateng kann Schalke nun beruhigter in die Länderspielpause gehen. Der Abwärtstrend ist zunächst gestoppt, die aufflammende Trainerdiskussionen zumindest vertagt. Zudem gibt es Bestrebungen, bis zum Schluss der Transferperiode am Montag noch einen Linksaußen zu holen. „Ich lasse das mal offen“, erklärte Heldt, der zugab, dass ihn die vergangene Woche mit allen Turbulenzen „einige Jahre gekostet“ habe. Doch mit der Perspektive an deren Ende war er zufrieden: Schalke steht schließlich doch noch in der Königsklasse und hat neue Hoffnungsträger.

Kevin-Prince Boateng jedenfalls fühlte sich geschmeichelt, dass auf Schalke so viel von ihm erwartet wird. „Ich mag das“, sagte er. Es ist auch die unverkrampfte Art, mit der sich das offenbar geläuterte Berliner „Getto Kid“ von einst im Ruhrgebiet einführte, die Schalke gut zu Gesicht steht. „In Italien war ich Prince, hier nennen mich alle Kevin“, sagte er und wirkte zufrieden mit seiner Entscheidung, in der Bundesliga einen neuen Anlauf zu nehmen.