Hamburger Sportstars an den Stätten großer Momente: Hauke Braack und Frank Mackerodt über das größte Spiel ihrer Volleyballkarriere.

Hamburg. Augenblicke, die eine Karriere prägen. Orte, die man ein Leben lang nicht vergisst. Das Abendblatt bat Sportler, an Hamburger Stätten großer Momente zurückzukehren und sich dort an ihre Vergangenheit zu erinnern. Die Serienteile lesen Sie bis Anfang September regelmäßig an dieser Stelle.

Die Verabredung ist eindeutig: „Treffpunkt Sporthalle Hamburg, Sportlereingang – wie vor 25 Jahren.“ Wer nicht kommt, sind Frank Mackerodt und Hauke Braack. „Hier hat sich sehr viel verändert, das war schwer zu finden“, entschuldigen sich beide nach zwei zielführenden Handygesprächen. „Ich habe mich auf Hauke verlassen, aber das konnte man schon damals nicht“, erklärt Mackerodt seine Orientierungslosigkeit und eröffnet wie in alten Zeiten einen verbalen Schlagabtausch, in dem beide kein gutes Haar aneinander lassen – und sich dann über ihren Nonsens-Dialog amüsieren.

Frank Mackerodt, 50, und Hauke Braack, der am heutigen Sonnabend 50 wird, sind beste Freude. Das sind sie seit jeher. Die beiden Nationalspieler sind die prägenden Persönlichkeiten der HSV-Volleyballer, die in den 80er-Jahren viermal deutscher Meister und Pokalsieger werden. Der bullige Mackerodt als Kapitän, Wortführer und Spezialist für die Annahme der gegnerischen Aufgaben, der gertenschlanke Braack als Diagonalangreifer, der als einer der Ersten den Volleyball mit Sprungaufschlägen übers Netz schmettert. „Dafür hat er in der Abwehr nichts geholt, Typ Bahnschranke“, lästert Mackerodt. „Dafür wurde ich ja nicht bezahlt. Ich sollte Punkte machen. Die habe ich gemacht, und das reichlich“, kontert Braack. „Wenn es wichtig wurde, war ich in der Abwehr zur Stelle – wenn Frank mal wieder übers Feld irrte.“

Der HSV trägt seine Bundesligaspiele in der Sporthalle Wandsbek aus, für die wichtigen Begegnungen, für Play-off- und Europapokalspiele zieht die Mannschaft in die Sporthalle Hamburg nach Winterhude um. Wie am 19. Januar 1988. Viertelfinalrückspiel gegen den italienischen Meister Panini Modena, eines der besten Teams der Welt. 5000 Zuschauer füllen die Halle bis zum letzten Klappstuhl. Es ist die bis heute größte Kulisse eines Volleyballspiels in Hamburg. Und der HSV enttäuscht seine Anhänger nicht, besiegt die überraschten Italiener mit 3:0 Sätzen. Trainer Olaf Kortmann, später Bundestrainer, heute Personalentwickler, tönt danach: „Das kam meiner Vorstellung von Volleyball ziemlich nah. Spielerisch sind wir jetzt schon besser als Modena, nur körperlich sind sie uns noch leicht überlegen.“ Fürs Weiterkommen reicht der Triumph dennoch nicht. Modena hat das Hinspiel ebenfalls 3:0 gewonnen, aber weniger Punkte der Hamburger zugelassen.

Die Vorkommnisse im ersten Spiel erregen Braack noch heute. Beim Stand von 14:13 hat der HSV Satzball. Braack knallt einen seiner gefürchteten Sprungaufschläge in die Hälfte Modenas. Ein Ass! Die Hamburger jubeln bereits über den Satzgewinn, als der italienische Linienrichter Übertritt anzeigt. Aufschlagwechsel. Panini gewinnt den Durchgang noch 16:14, die nächsten zwei Sätze dann deutlich. In der Nacht sehen die HSV-Spieler die Bilder der strittigen Szene in ihrem Hotel im italienischen Fernsehen. Braack ist einen halben Meter vor der Grundlinie abgesprungen. Eine Fehlentscheidung, typisch für diese Zeit. Im Süden Europas ist der Heimvorteil noch was wert.

Im Rückspiel fällt er weg. „Da haben wir so eine Schnarchnase als Linienrichter, unfassbar“, ereifert sich Braack, „der zeigt doch glatt einen Aufschlag unseres Spielmachers Bill Stetson, bei dem der Ball für jeden sichtbar auf die Linie fällt, als Aus an.“ Die Stelle weiß er noch genau. „Da war das!“, sagt Braack und zeigt auf irgendeinen Punkt in der Halle. Mackerodt nickt: „Hauke kann eben nicht verlieren.“ Das beklage auch seine Familie, sagt Braack, „selbst bei Gesellschaftsspielen kenne ich keine Kompromisse“. Beruflich hat ihm diese Einstellung genützt. Braack ist einer der führenden Europa-Manager bei ExxonMobil. Mackerodt vermarktet seit 20 Jahren Beachvolleyball.

Zwei Jahre nach dem größten Spiel ihrer Karrieren bricht die erfolgreichste deutsche Volleyballmannschaft auseinander. Der HSV hat kein Geld mehr, reduziert den Etat um 300.000 auf rund 650.000 Mark (rund 332.000 Euro). Mackerodt wechselt zu Bayer Leverkusen, Braack bleibt aus privaten Gründen in Hamburg. Der neue HSV-Präsident Jürgen Hunke gliedert die Volleyballer ein Jahr später in den Hamburger Leistungssportverein (HLSV) aus. Der geht schnell pleite, weil der Vorsitzende Günter Seibt die eine Million Mark Anschubfinanzierung des HSV vor allem für Computer und Büromöbel ausgibt, anstatt Spieler und Fahrtkosten zu bezahlen. Dasselbe Schicksal ereilt die Nachfolgevereine 1. VC Hamburg und 1.SC Norderstedt. Männer-Volleyball ist in Hamburg und Umgebung nicht mehr zu finanzieren. Braack bleibt ein Trost. Tochter Nina spielt künftig in der Bundesligamannschaft des VT Aurubis.