„EPO, Cortison, dann sogar Blutdoping: Es ist doch eine ganze Menge“, sagt der einstige Radprofi im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Sechsmal gewann er bei der Tour de France das Grüne Trikot.

Berlin. Mit sechs Jahren Verspätung hat Erik Zabel eine umfassende Doping-Beichte abgelegt und sich als langjähriger Sportbetrüger geoutet. „Ich hatte nie einen strukturierten Dopingplan, nie dafür irgendwelche Experten um mich rum und habe mich deshalb auch nie als Superdoper angesehen. Ich hatte nur Empfehlungen. Aber wenn man das jetzt so zusammennimmt – EPO, Cortison, dann sogar Blutdoping -, ist es doch eine ganze Menge“, sagte Zabel in einem Interview der „Süddeutsche Zeitung“ (Montag). Er gab zu, 2007 gelogen zu haben. In Bonn hatte Zabel einst an der Seite von Rolf Aldag unter Tränen ausgesagt, nur für eine Woche im Jahr 1996 das Blutdopingmittel EPO ausprobiert, aber nicht vertragen zu haben.

Dass dies nur geschwindelt war, wurde bereits am vergangenen Mittwoch deutlich, als der Untersuchungsbericht der Anti-Doping-Kommission des französischen Senats Zabel wie Jan Ullrich oder Marco Pantani als EPO-Sünder bei der Tour de France 1998 entlarvt hatte. So musste Zabel, der aktuell als Sportdirektor beim russischen Katusha-Team angestellt ist, nun – notgedrungen – von seiner Schein-Wahrheit abrücken.

„Ich habe viel länger gedopt, viele Jahre“, sagte Zabel mit Blick auf seine tränenreiche Darbietung in Bonn. „Vor allem wollte ich mein Leben behalten, mein Traumleben als Radprofi. Das hat man ja so geliebt, diesen Sport, die Reisen. Dieser Egoismus, der war einfach stärker“, erläuterte er nun seine damaligen Beweggründe.

Nebenbei deutete Zabel auch an, dass Ullrich bei dessen Toursieg 1997 nicht sauber unterwegs gewesen sein könnte. „Wir müssen ja jetzt niemanden mehr für dumm verkaufen, es gibt inzwischen genug Berichte, wie es damals war. Aber konkret kann ich hier jetzt nur für mich sprechen“, antwortete Zabel auf die Frage, ob es logisch ist, dass Ullrich bei seinem Sieg gedopt gewesen sei.

So ist nun fünf Jahre nach Zabels Karriereende klar, dass die vielen Erfolge des sechsmaligen Gewinners des Grünen Trikots nur auf Lug und Trug basierten. Er habe sich 1996 – in dem Jahr gewann der gebürtige Ost-Berliner erstmals die Punktewertung bei der Frankreich-Rundfahrt – bewusst entschlossen, mit dem Dopen zu beginnen. „Ich habe als junger Fahrer nicht groß darüber nachgedacht, dass das ein großer Schritt ist. Aber klar ist auch: Ich wusste ganz genau: Das ist nicht erlaubt, und es hat mich auch niemand gezwungen, Epo zu nehmen. Das war meine Entscheidung.“

Re-Infusion vor der Tour de France 2003

Fortan gehörte der Betrug zum Leben des Top-Sprinters – ähnlich wie viele seiner Kollegen aus der EPO-Generation von Lance Armstrong bis Bjarne Riis. Nach dem Festina-Skandal sei es dann weniger geworden mit EPO, genaue Einzelheiten kann Zabel nicht mehr rekapitulieren. Als die Nachweismethoden besser wurden, schwenkte Zabel um zu Eigenblutdoping. „2003 habe ich vor der Tour de France eine Re-Infusion bekommen“, ergänzte er.

Diese Methode habe er aber nicht beibehalten, weil ihm „Aufwand und Ertrag zu niedrig“ waren. Bis 2005 habe er nur noch den sogenannten Zaubertrank des Betreuers Jef D’Hont eingenommen, wobei er aber nicht genau sagen könne, ob und welche verbotene Mittel darin enthalten gewesen seien. Nach 2005 sei er ausschließlich sauber gefahren. Es mag Zufall sein, dass die Verjährungsfrist von acht Jahren Zabel somit vor sportrechtlichen Konsequenzen schützt.

„Jetzt bin ich das Arschloch“

Dass Zabel für sein modifiziertes Geständnis keinen Beifall erhalten wird, ist ihm klar. „Ja, jetzt bin ich das Arschloch, und ich fühle mich auch unwohl in meiner Haut. Den Moment, mir von einer Offenbarung oder einer aufrichtigen Entschuldigung etwas erhoffen zu dürfen, den habe ich leider verpasst“, sagte Zabel. „Wie mich die Leute jetzt vernichten oder auch nicht, das kann ich nicht beeinflussen.“ Er wünsche sich selbst jetzt einfach nur noch, „dass ich meine innere Ruhe wiederfinde – dass ich wieder in den Spiegel schauen kann“.

Mit Blick auf seinen Sohn hatte er in Bonn 2007 sein kleines Geständnis erklärt. „Wenn ich von ihm erwarte, dass er ein guter Mensch wird und dass er ehrlich und geradeaus ist im Leben und fair den Sport betreibt, dann kann ich ihn halt nicht weiter anlügen“, hatte der frühere Telekom-Star damals gesagt.

Posten als Sportdirektor bei den Cyclassics wackelt

Seinen Sohn Rick damit reinzuziehen, sei eine Riesendummheit gewesen. Das habe er damals schon auf der Heimfahrt gewusst. Am vergangenen Mittwoch habe er ihm die ganze Wahrheit gesagt. Vorher hatte er Zeitpunkt für ein klärendes Gespräch immer aufgeschoben. „Wenn wir mal zusammen Rad gefahren sind, hatte ich schon da in jeder einzelnen Sekunde den Wunsch, ihm meine Geschichte zu erzählen: ’Rick, da ist was, da ist noch mehr, das steht eigentlich immer noch zwischen uns, und das ist eine Last für mich und ich würde es gerne versuchen, dir zu erklären.’“ Zabel junior ist heute 19 Jahre alt und hat gerade seinen ersten Profivertrag beim Schweizer Team BMC unterschrieben.

Ob er im nächsten Jahr dann seinen Vater in der Profiszene wiedertreffen wird, ist noch offen. Zabel ist Sportdirektor bei Katusha, einem Team mit ebenso zweifelhaftem Ruf. Teamchef ist bei den Russen übrigens Wjatscheslaw Jekimow. Dieser war jahrelang treuer Helfer von Armstrong im Doping-Rennstall US Postal. Bei Jekimow dürfte der Aufschrei nicht gar so groß sein. Größere Sorgen muss sich Zabel wohl um seinen Posten als Sportdirektor bei den Hamburger Cyclassics machen. Der Rennveranstalter Upsolut hatte bereits unter der Woche interne Gespräche angekündigt.