Im Halbfinale in Göteborg geht das Team von Bundestrainerin Silvia Neid als Außenseiter ins Spiel. Zudem wiegt der Ausfall von Okoyino da Mbabi schwer.

Göteborg. Auf dem Weg ins EM-Finale hatten die deutschen Fußballerinnen kurz die Orientierung verloren, nach einem richtungsweisenden Stadtspaziergang waren die Titelverteidigerinnen aber wieder auf Kurs. „Schweden ist der klare Favorit. Sie haben Weltklasse-Spielerinnen, wir sind fast mit einer U23 hier. Dennoch wollen wir ins Endspiel“, sagte Bundestrainerin Silvia Neid, deren Schützlinge versehentlich Fotos vom falschen Göteborger Stadion in den sozialen Netzwerken gepostet hatten, vor dem Halbfinale am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF und Eurosport) gegen den bärenstarken Gastgeber: „Unsere Mannschaft hat jetzt schon Großes geleistet, wir können befreit aufspielen.“

Obwohl das runderneuerte deutsche Team weiter den sechsten EM-Triumph in Folge und den achten insgesamt anpeilt, gefallen sich auch die Spielerinnen, denen der Foto-Fauxpas ziemlich peinlich, war in der Außenseiterrolle. Nicht zuletzt die Erfahrung der missratenen Heim-WM vor zwei Jahren sorgt dafür, dass die Deutschen den Druck gerne an die Schwedinnen weitergeben. „Diese Rolle des Außenseiters kann uns helfen“, sagte Mittelfeldspielerin Lena Goeßling: „Wir wissen doch selbst, wie es ist, wenn man im eigenen Land spielt und der Druck sehr hoch ist.“

Ähnlich sieht es Simone Laudehr. Die Matchwinnerin des Viertelfinals gegen Italien (1:0) sieht ihre Mannschaft psychologisch im Vorteil – auch wenn die Schwedinnen bisher den besten Eindruck bei der Endrunde hinterlassen haben, während sich die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eher ins Halbfinale mogeln musste. „Wir können völlig unbelastet spielen, die Schwedinnen müssen dagegen hohe Erwartungen erfüllen“, sagte die Mittelfeldspielerin: „Es hätte uns nichts Besseres passieren können, als gegen den Gastgeber zu spielen.“

Was dagegen besser nicht passiert wäre, ist die Verletzung von Torjägerin Celia Okoyino da Mbabi (Oberschenkel-Zerrung). Neid, die ohnehin auf sechs verletzte oder kranke Stammkräfte bei der Endrunde verzichten muss, kann wohl nicht auf die Top-Torschützin der Qualifikation zurückgreifen. Für Okoyino da Mbabi wird voraussichtlich Schweden-Legionärin Anja Mittag in vorderster Reihe auflaufen. „Für mich ist das natürlich toll, cooler kann es nicht sein“, sagte die Angreiferin des FC Malmö, die im vergangenen Jahr zur besten Spielerin in Schweden gewählt worden war.

Die konterstarke Mittag könnte unter den Augen des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, der wie zum Italien-Spiel auch am Mittwoch einfliegen wird, zur optimalen taktischen Waffe gegen die Auswahl ihrer Wahlheimat werden. Darauf bauen jedenfalls ihre Teamkolleginnen, denen im Fall des Titelgewinns die EM-Rekordprämie von 22.500 Euro pro Kopf winkt. „Die bisherigen Gegner haben sehr defensiv gegen uns gespielt. Gegen Schweden werden wir mehr Räume haben, das kommt uns entgegen“, sagte Goeßling.

Beflügeln könnte die Deutschen auch das vorläufige Ende der Debatte um ihre Trainerin. Der Halbfinal-Einzug hat dazu geführt, dass die Kritik an Neid nach der schwachen Vorrunde mit der ersten EM-Pleite seit über 20 Jahren (0:1 gegen Norwegen) zumindest vorerst verstummt ist. Entsprechend gelassen geht die 49-Jährige, die ihr Team wegen der personellen Probleme stark verjüngen musste (23,5 Jahre im Durchschnitt), in die Partie. „Wir brauchen keine Angst zu haben“, sagte Neid, in deren Kader nur noch neun Europameisterinnen von 2009 und zehn Teilnehmerinnen der WM 2011 stehen.

Angst müssten dagegen die Schwedinnen beim Blick auf ihre bisherige Bilanz gegen Deutschland bekommen. Der Europameister von 1984, der sich immerhin auf die Unterstützung von knapp 17.000 begeisterungsfähigen Fans verlassen kann, hat nur 6 von 20 Duellen mit dem DFB-Team gewonnen. Die empfindlichen Pleiten im EM-Finale 2001 und WM-Finale 2003 (jeweils durch ein Golden Goal in der Verlängerung) schmerzen die Skandinavierinnen bis heute.

So könnten sie spielen: Angerer – Maier, Krahn, Bartusiak, Cramer – Keßler, Goeßling – Lotzen, Marozsan, Laudehr – Mittag.