Für Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ist die Beachvolleyball-WM in Polen nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Rio.

Hamburg. Die Verabredung ist zweieinhalb Monate her. „Wenn wir uns noch vor der Weltmeisterschaft in Hamburg zum Gespräch treffen wollen, geht das nur am letzten Freitag im Juni um 16.30 Uhr nach dem Training am Olympiastützpunkt in Dulsberg“, stellte Laura Ludwig, 27, nach einem Blick in ihren Kalender fest. Das Leben einer Beachvolleyballerin ist während der Saison bis ins Detail geplant. Turniere, Training und Reisen müssen koordiniert werden, „nach Hause kommst du in dieser Zeit höchst selten“, sagt Ludwig, „und dann ist der Kühlschrank immer leer.“ Diesmal war sie gerade 20 Stunden in Hamburg. Am Sonnabendmorgen musste sie wieder ihre Sporttaschen packen. Mit Partnerin Kira Walkenhorst, sie reiste aus Essen an, schlägt sie von diesem Montag an bei den Weltmeisterschaften im polnischen Kurort Stare Jablonki auf.

Ludwig/Walkenhost spielen seit vergangenen September zusammen. Walkenhost, 22, ersetzte Ludwigs langjährige Partnerin Sara Goller, die ihre Karriere nach Platz fünf bei den Olympischen Spielen 2012 in London beendete. Die WM in Masuren ist für beide eine Art Zwischenprüfung, eine erste Bestandsaufnahme. Großes Ziel bleiben die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. „Das Ganze ist ein Projekt“, sagen Trainingswissenschaftler Hans Voigt (Münster) und Trainer Jürgen Wagner (Bochum), „unsere Zusammenarbeit ist langfristig angelegt. Erst in Rio wird abgerechnet.“ Voigt und Wagner führten Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 zum Olympiasieg. Weil beide bei Ludwig/Walkenhorst „ähnlich großes Potenzial und vor allem eine starke Motivation“ sehen, nahmen sie diese Herausforderung an.

Für Ludwig und Walkenhost ist es ein Neubeginn als Team, für beide aber auch ein persönlicher. Voigt und Wagner haben in den vergangenen Monaten fast alles Gewohnte infrage gestellt, „weil es doch sehr viele Baustellen gab“ (Wagner), haben Technik und Taktik neu justiert. Auffälligste Änderung: Ludwig nimmt jetzt auf der linken Seite die Aufschläge der Gegnerinnen an, früher war ihre Position rechts. Für das Zusammenspiel für die folgenden Elemente Zuspiel und Angriff sei diese Konstellation die effektivere, fand Trainingswissenschaftler Voigt nach intensivem Videostudium heraus.

In K.o.-Spielen fehlt noch Entschlossenheit

„Wir lernen beide noch“, sagt Ludwig, nichts anderes habe sie erwartet, aber es sei manchmal schon schwer, die ganzen Neuerungen unter dem Stress eines Wettkampfes umzusetzen. „Wir haben zuletzt viel an Vielem herumgeschraubt. Da fehlen im Moment manchmal die Automatismen, Sicherheit wie Selbstverständlichkeit.“ Die Ergebnisse seien dennoch zufriedenstellend. Auf der Weltserie wurden sie in Shanghai Fünfte, in Den Haag und Rom Neunte. Auf der deutschen Tour verpassten sie zwar dreimal das Finale, gewannen jedoch jeweils das Spiel um Platz drei. „Es mangelt ihnen vor allem noch an Konstanz“, sagt Trainingswissenschaftler Bernd Schlesinger vom Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein. „Sie haben starke Spiele gezeigt, allerdings auch weniger gute.“ Bezeichnend: In der Gruppenphase der Weltserienturniere besiegten Ludwig/Walkenhorst selbst Weltklassegegner, in den anschließenden K.-o.-Spielen fehlte oft die nötige Entschlossenheit. Nur bei einem von von vier Spielen gingen sie als Sieger aus dem Sand.

„In den Gruppenspielen ist der Druck natürlich weit geringer“, sagt Ludwig, „wenn es dann um alles oder nichts geht, sind wir noch nicht abgeklärt genug.“ Schlesinger traut den Weltranglisten-17. bei der WM jedoch eine einstellige Platzierung zu, „wenn alles gut läuft, sollte sogar das Erreichen des Halbfinales möglich sein“. Laura sei eine erfahrene Weltklassespielerin, „und wenn Kira einen Lauf hat, können die beiden weit kommen“.

Dass Kira Walkenhorst diesen Lauf bekommen könnte, glaubt Junioren-Bundestrainer Jörg Ahmann: „Sie ist das größte deutsche Beachvolleyballtalent seit Jahren.“ Auch Ludwig ist optimistisch, das liegt an ihrem Naturell. „In der Gruppe sollten wir uns als Erster oder Zweiter durchsetzen können.“ Die Brasilianerinnen Antonelli/Agatha, Nummer sechs der Weltrangliste, sind die härtesten Gegner der Vorrunde.

Vier weitere Hamburger sind Sonntag mit Schlesinger aus Lübeck nach Polen geflogen. Sebastian Dollinger, 29, und Stefan Windscheif, 25, vom HSV, Nummer 13 der Welt, und Markus Böckermann, 27, und Mischa Urbatzka, 30, vom FC St. Pauli, Nummer 28. Für Urbatzka ist es der vierte WM-Start. Die Männerkonkurrenz beginnt am Dienstag. „Beide Paare haben ihre Stärken im Bereich Block/Abwehr“, sagt Schlesinger, „wenn sie jetzt noch einigermaßen stabil in der Annahme des gegnerischen Aufschlages sind, können sie unter die ersten zehn kommen.“ Bestes Resultat beider Teams auf der Welttour war in diesem Jahr ein fünfter Platz. Olympiasieger Brink musste wegen Verletzung seine WM-Teilnahme mit seinem neuen Partner Sebastian Fuchs absagen.