Trainer Ulf Fischer über das Comeback des gebürtigen Hamburger Tennisprofis Tommy Haas und seine Aussichten in Wimbledon. Am heutigen Dienstag spielt er gegen den Russen Dmitri Tursunow.

London. Selbst die „New York Times“ widmete dem gebürtigen Hamburger Tommy Haas einen Bericht mit dem Titel „Während die Rivalen kommen und gehen, hält Tommy Haas noch immer Hof“. Derzeit in Wimbledon, wo der 35-Jährige an diesem Dienstag in der ersten Runde der All England Championships als 13. der Setzliste auf den Russen Dmitri Tursunow trifft. Gehörigen Anteil an den Topleistungen des Deutschen hat Ulf Fischer, 47, der Haas seit Februar als Trainer betreut.

Hamburger Abendblatt: Herr Fischer, wer ist Ihr Favorit in Wimbledon?

Ulf Fischer: Der Schweizer Roger Federer zählt als Titelverteidiger und nach seinem Sieg in Halle für mich zu den großen Favoriten. Freuen würde ich mich natürlich am meisten für Tommy, danach für Roger. Tommy ist aber natürlich nicht der Topfavorit.

Sie trauen ihm also den Sieg zu?

Fischer: Das ist schwierig zu sagen. Die Konkurrenz mit dem britischen Olympiasieger Andy Murray, dem Weltranglistenersten Novak Djokovic aus Serbien und Federer ist enorm. Diese drei Spieler sind unglaublich schwer zu besiegen. Hätte Tommy die Form von heute vor einigen Jahren gehabt, wäre es vielleicht leichter gewesen, in Wimbledon zu siegen. Wenn es richtig, richtig gut läuft, kann Tommy sehr weit kommen. Aber er muss auch schon in der ersten Runde aufpassen. Siehe Nadal.

Was hatten Sie am Anfang Ihrer Zusammenarbeit als kleine Schwachstellen bei Haas ausgemacht?

Fischer: Er ist natürlich schon vorher ein Superspieler gewesen. Seine Technik ist unheimlich gut, aber mir sind ein paar Sachen aufgefallen, die ich verbessern wollte: sein Spiel nach vorn, Kleinigkeiten beim Volley und bei anderen Schlägen. Im mentalen Bereich kannst du dich auch immer verbessern. Bei den Topspielern entscheiden kleinere Sachen, und an denen musst du arbeiten.

Tut er das?

Fischer: Tommy ist ein sehr harter Arbeiter. Er gibt im Training alles, deshalb steht er mit 35 Jahren so weit oben. Sein Wille und seine Liebe zum Sport machen ihn so stark.

Talent hatte er schon immer – und wahrscheinlich auch diesen enormen Willen. Was macht ihn aber jetzt noch stärker als vielleicht je zuvor?

Fischer: Er hat an Kleinigkeiten seiner Technik gefeilt, die sich stark auswirken. Und er hat sich im mentalen Bereich verbessert – durch die Reife, durch die Familie, durch seine kleine Tochter. Tommy hat außerdem sein Training und seine Gewohnheiten noch mal optimiert. Auch sein Wille ist noch stärker als früher, denke ich. Er weiß, dass er keine zehn Jahre mehr Zeit hat.

Ist die Zusammenarbeit mit Haas jetzt einfach, weil er schon lange dabei ist?

Fischer: Einfach ist es nicht mit Tommy, weil er sehr perfektionistisch ist und alles immer 100 Prozent sein muss. Er stellt hohe Anforderungen, das ist aber auch eine Herausforderung für mich. Seine Erwartungshaltung ist sehr hoch, aber wenn wir die erfüllen können und er gut spielt, freut uns das umso mehr.

So fit wie er derzeit ist, kann ich mir ein Karriereende bei ihm kaum vorstellen. Wie realistisch ist ein Start bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro?

Fischer: Tommy hat eindeutig noch genug Energie für Training und Turniere, um so lange weiterzumachen. Ich sehe auf jeden Fall Chancen, dass er bis Rio 2016 weitermacht. Von seiner Energie gehört er zu den zehn heißesten Spielern der Welt.