Der Reifentest von Mercedes und Pirelli erhitzt weiter die Gemüter. Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg prangerten dies am Rande des Großen Preises von Montréal als „illegal“ an.

Montréal. Das Dauer-Reizthema Reifentest sorgt auch in Montréal für kontroverse Debatten. Der dreifache Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel wirft Mercedes und Pirelli „illegales“ Verhalten vor, hält sich aber mit Forderungen nach einer Bestrafung zurück. „Ich bin nicht der, der darüber entscheiden muss. Aber der Regelbruch ist eindeutig“, sagte der Red-Bull-Pilot vor dem Großen Preis von Kanada. Sauber-Kollege Nico Hülkenberg pflichtete bei: „Das Tribunal schaut sich das zu Recht an.“

Nico Rosberg hofft indes, dass der dreitägige Reifentest Mitte Mai in Barcelona keine negativen Folgen für ihn hat. „Mal sehen, wie es läuft“, sagte der Mercedes-Pilot zur bevorstehenden Verhandlung des „Testgate“ vor dem Internationalen Tribunal des Automobil-Weltverbandes FIA. „Ich erwarte, dass es okay ausgeht.“ Er habe eine derart heftige Diskussion ebenso wenig erwartet wie sein Team.

Die FIA gab inzwischen ein paar, allerdings sehr allgemeine, Informationen zum Verlauf der Verhandlung und zu möglichen Strafen. Der Präsident des zwölfköpfigen Internationalen Tribunals benennt eine Jury, die mindestens drei Mitglieder umfasst. Nach der Anhörung von Mercedes und Pirelli teilt der Vorsitzende dieser Kammer mit, wann die Entscheidung bekanntgegeben wird. Dies könnte noch vor dem britischen Grand Prix Ende Juni sein, aber auch eine Woche später rund um das Rennen auf dem Nürburgring.

Als mögliche Strafen nannte die FIA in Montréal Geldbußen, Sperren oder weitere Maßnahmen laut Artikel 153 des Internationalen Sportgesetzes. Dazu zählen beispielsweise Punktabzüge oder Verwarnungen. Rosberg rechnet aber nicht damit, dass ihm sein Sieg von Monte Carlo aberkannt werden könnte: „So weit ich weiß, hat das Monaco-Rennen damit nichts zu tun.“

Selbst Vettel ist trotz aller Empörung gegen eine Bestrafung Rosbergs. „Es wäre absolut falsch, Nico den Sieg abzuerkennen“, sagte der WM-Spitzenreiter aus Heppenheim. Ganz andere Töne schlug er bezüglich Pirelli und Mercedes an: „In den Regeln steht eindeutig, dass man während der Saison nicht mit dem aktuellen Auto testen darf. Mercedes hat das getan, das ist illegal.“

Vettel versicherte, Tests in der Saison über drei Tage seien „eine große Hilfe“. Im Winter sei die Testqualität nicht so gut. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle testen dürfen. Deshalb ist das unfair“, klagte der 25 Jahre alte Hesse.

Hülkenberg sieht das ähnlich. „Der Test war sicher kein Nachteil“, sagte er. Zudem sei es nicht realistisch, dass jedes Team so einen Test absolviere. Richten will der Sauber-Pilot aus Emmerich aber nicht: „Ein Urteil über eine Strafe überlass ich anderen.“

Vor allem Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko forderte vehement Sanktionen. Ob und wie die FIA den deutschen Rennstall und den italienischen Reifenlieferanten wegen des dreitägigen Tests über insgesamt 1000 Kilometer mit den beiden Silberpfeil-Stammpiloten Rosberg und Lewis Hamilton bestrafen wird, ist indes offen.

Pirelli ist als alleiniger Reifen-Ausstatter in einer starken Position und Mercedes hat ebenfalls Druckmittel in der Hand. So droht der Daimler-Konzern mit einem Ausstieg aus der Königsklasse, sollte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone in seiner Bestechungsaffäre mit dem ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky verurteilt werden. Zudem ist Mercedes als Motorenlieferant von Williams und Force India in der kommenden Saison in einer guten Position.

Möglicherweise will die FIA Mercedes in dem Machtspiel auch nur einbremsen. Bei der anstehenden Verhandlung geht es sicher nicht nur um Regelverstöße, zumal sich etliche Aussagen der Beteiligten teilweise widersprechen. Bei der Spionage-Affäre 2007 zeigte der Dachverband dem damaligen McLaren-Partner Mercedes mit der Rekordstrafe von 100 Millionen US-Dollar, wer am längeren Hebel sitzt.