Sebastian Zbik galt einst als eines der größten Talente im deutschen Boxsport. Doch im besten Wettkampfalter hat der Mittelgewichtler inzwischen die Hoffnungen auf ein Comeback aufgegeben.

Hamburg. Es gibt Tage, an denen Sebastian Zbik die Welt nicht mehr versteht. Jedenfalls die Welt, die in den vergangenen neun Jahren seine war. Er hört die Neuigkeiten aus der Berufsboxszene, und nicht selten muss er dann ungläubig den Kopf schütteln und sich fragen, was bloß geworden ist aus seinem geliebten Sport, für den er die besten Jahre seines Lebens geopfert hat.

Sebastian Zbik, 31 Jahre alt, war im Juli 2004 Profi beim Hamburger Universum-Stall geworden, als dieser in seiner vollen Blüte stand. Er wurde aufgebaut als einer der hoffnungsvollsten deutschen Nachwuchskämpfer, als Versprechen für eine prosperierende Zukunft, und tatsächlich brachte er es 2009 zum Interims-Weltmeister im Mittelgewicht und schaffte es Anfang 2011 sogar, den regulären WBC-Gürtel zu erobern. Doch nachdem er im Juni 2011 im 31. Profikampf seine erste Niederlage einstecken musste - höchst umstritten nach Punkten in Los Angeles gegen Mexikos Superstar Julio Cesar Chavez jr. - begann sein Abstieg.

Der Universum-Stall wurde von Gründer Klaus-Peter Kohl an Waldemar Kluch verkauft, der ihn mangels finanzkräftiger Sponsoren eineinhalb Jahre später in die Insolvenz führte. Zbik bekam nur noch eine Chance, die er im April 2012 gegen den damaligen WBA-Superchampion Felix Sturm kläglich vergab, weil ihn die Gesamtsituation von einer ordentlichen Vorbereitung abgehalten hatte. Seitdem wartet er nicht nur auf die vereinbarte Börse von rund 200.000 Euro, die Kluch ihm zwar versprach, aber bis heute nicht gezahlt hat. Er wartet auch auf Angebote, die ihm eine Fortsetzung seiner Karriere erlauben würden. Dass diese noch kommen, bezweifelt er stark. „Die Marktlage ist derzeit so schlecht, dass ich keine Perspektive mehr für mich sehe“, sagt er.

Klage wegen Veruntreuung gegen Kluch

Sebastian Zbik, dessen Eltern in Mecklenburg-Vorpommern ein Autohaus betreiben, ist keiner, der die Hände in den Schoß legt und auf sein Glück wartet. Er hat, nachdem Kluch ihm seine Börse nicht zahlte, im Juli 2012 Klage wegen Veruntreuung eingereicht und im November den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen Universum gestellt. Dass beides bislang keinen Ertrag gebracht hat, kann er nicht verstehen, es zermürbt ihn zusätzlich.

Dennoch hat Zbik zu Jahresbeginn ein dreimonatiges Trainingslager in Budapest absolviert. Im Verein seines früheren Universum-Trainingskollegen Karoly Balzsay, der mal Weltmeister im Supermittelgewicht war und seine Karriere wegen des Chaos’ bei Universum beendet hat, brachte er sich in Wettkampfform. „Außerdem war ich dort mal weg von allen Ablenkungen und konnte den Kopf frei bekommen“, sagt er. Körperlich ist er auf einem Level, das ihm relativ kurzfristig eine Rückkehr in den Ring erlauben würde. „Innerhalb von sechs, sieben Wochen wäre ich für jeden Kampf bereit“, sagt er.

„Am Ende hätte ich draufgezahlt“

Das Problem ist, dass kein Kampf in Sicht ist. Zbik hat Gespräche mit dem deutschen Platzhirsch Sauerland Event geführt. „Die haben mir aber gesagt, dass sie mich nicht gebrauchen können“, sagt er. Er hat mit Felix Sturm, der in Köln seinen eigenen Boxstall betreibt und mit Sat.1 einen guten TV-Partner hat, verhandelt. „Doch da wäre ich allenfalls als schlecht bezahlter Rahmenkämpfer eingeplant worden“, sagt er. Die Gesundheit ist ihm jedoch ein zu hohes Gut, um sich für vergleichsweise wenig Geld verprügeln zu lassen, wie es viele andere Sportler in seiner Situation tun. „Für 30.000 Euro brutto halte ich meinen Kürbis nicht mehr hin“, sagt er.

Die Angebote, die er als selbstständiger Kämpfer hätte annehmen können, waren noch schlechter. Vor ein paar Monaten erhielt Zbik eine Anfrage aus den USA, ob er dort gegen den starken Polen Grzegorz Proksa antreten wolle. Veranschlagter Lohn: 15.000 Dollar. „Davon hätte ich mein Trainingscamp, die Sparringspartner sowie Kost und Logis zahlen müssen. Am Ende hätte ich draufgezahlt. Das ist doch Wahnsinn“, sagt er. Mit jedem Tag, den er sich weiter von einem Comeback entfernt, schwindet die Motivation. „Ich glaube nicht, dass ich mich ohne Perspektive noch einmal quälen kann“, sagt er.

Ziel ist der Einstieg in eine Trainerlaufbahn

Und so dämmert es Sebastian Zbik, dass er die besten Zeiten seiner Karriere längst hinter sich hat. Er konzentriert sich nun auf sein Studium des Leistungs- und Wettkampfsports, das er in Potsdam absolviert. Sein Ziel ist der Einstieg in eine Trainerlaufbahn, in Ungarn hat er damit erste gute Erfahrungen gesammelt, in Deutschland ist er jetzt auf der Suche nach einer Anstellung. Obwohl das Berufsboxen an Strahlkraft verliert, glaubt er weiterhin an seinen Sport, er hofft, dass das olympische Boxen durch die Pläne des Weltverbands Aiba, eine eigene Profiserie aufzubauen, an Attraktivität gewinnt.

Dass in seinem Kampfrekord zwei Niederlagen als letzte Arbeitsnachweise stehen, wurmt ihn allerdings schon. Deshalb hat er die Hoffnung auf ein gutes Angebot für einen Abschiedskampf doch nicht ganz aufgegeben. „Vielleicht mache ich auch einen letzten Kampf in Eigenregie, um mich ordentlich von meinen Fans zu verabschieden“, sagt er. Er will seine Welt lieber erhobenen Hauptes verlassen können, nicht kopfschüttelnd.