EM-Titel gegen Tony Averlant durch K.o. in der zweiten Runde verteidigt. Die WBO hat festgelegt, dass ihr walisischer Weltmeister Nathan Cleverly seinen Titel nun gegen Brähmer verteidigen muss.

Hamburg. Dass er ein Mann ist, der wenigstens in großen Teilen sein Wort hält, das konnte Jürgen Brähmer in der Nacht zu Sonntag vor 3200 Fans in der Sporthalle Hamburg beweisen. „Der Franzose kriegt hier auf die Hose“, hatte der Europameister im Halbschwergewicht vor seiner Titelverteidigung gegen Tony Averlant in einem launigen Beitrag für die ARD gereimt. Im übertragenen Sinne stimmte das zwar, dennoch war es gut, dass Brähmer nach 2:36 Minuten der zweiten Runde rund 30 Zentimeter höher zielte als auf das Beinkleid seines französischen Herausforderers.

Mit einem blitzsauberen, fast ansatzlos geschlagenen linken Haken auf die Leber knockte der 34-Jährige seinen fünf Jahre jüngeren Kontrahenten aus. Zwar bemühte sich dessen Berater Alessandro Ferrarini auf der offiziellen Pressekonferenz, den Treffer auf die Rippe zu verlegen, die sogar möglicherweise gebrochen sei. Doch wer die für einen Leberhaken typische Zeitverzögerung sah, mit der Averlant in die Knie ging und auch nicht mehr rechtzeitig aufstehen konnte, weil der Schmerz zu heftig war, der konnte nur den Hut ziehen vor dieser Aktion Brähmers. Knockouts durch Kopftreffer kann jeder Boxer mit Glück schaffen. Knockouts am Körper schaffen nur Könner.

Nun wäre es sicherlich verkehrt, aus nicht einmal zwei Runden gegen einen durchschnittlich begabten Boxer wie Averlant, der im 28. Kampf bereits die achte Niederlage einstecken musste, zu viel herauslesen zu wollen. Aber die Art und Weise, wie Brähmer die 336 Sekunden im Ring dominierte, wie agil er sich bewegte, wie er fintierte, konterte und sofort Druck ausübte, all das darf durchaus Mut machen für die Aufgaben, die vor dem Ex-Weltmeister aus Schwerin liegen, der im 42. Kampf den 40. Sieg feierte.

Klar ist: So schnell wie möglich soll Brähmer seine nächste WM-Chance bekommen. Die WBO hat laut Chris Meyer, Geschäftsführer von Brähmers neuem Promoter Sauerland Event, festgelegt, dass ihr walisischer Weltmeister Nathan Cleverly seinen Titel gegen Brähmer verteidigen muss. Dieses Duell war schon einmal angesetzt, im Mai 2011, als der Vater einer Tochter noch für den Hamburger Universum-Stall kämpfte. Damals wäre Brähmer Titelverteidiger gewesen, sagte den Kampf aber wegen einer mysteriösen Augenverletzung ab und verlor den Gürtel deshalb kampflos. In Wahrheit hatte er sich mit Universum nicht über die finanziellen Modalitäten einigen können.

„Das war das Signal an Cleverly, das wir gebraucht haben“

Zwei Jahre später scheint Brähmer bereit für die Herausforderung Cleverly. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, aber wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, dass ich mit dem Ergebnis heute durchaus zufrieden sein darf“, resümierte er. Trainer Karsten Röwer sieht seinen Schützling bei 80 Prozent seines Leistungsvermögens. „Wir hätten gern länger geboxt, aber der schnelle Sieg wird ihm vor allem Selbstvertrauen geben, und das ist auch wichtig. Was mich gefreut hat ist die Tatsache, dass wir heute keinen Killer oder Pitbull im Ring gesehen haben, als den viele Jürgen einschätzen. Heute hat der Ästhet gewonnen. Viel besser kann man einen Körperhaken nicht schlagen.“

Promoter Kalle Sauerland wollte seine Begeisterung über den Mann, den er im vergangenen Jahr aus dem vorzeitigen Ruhestand verpflichtet hatte, gar nicht verbergen. „Wenn das 80 Prozent waren, dann möchte ich keinem Gegner wünschen, dass Jürgen mal 100 Prozent abruft. Ich fand seine Leistung sensationell, er hatte den Kampf in jeder Sekunde unter Kontrolle. Das war genau das Signal an Cleverly, das wir gebraucht haben“, jubelte er.

Averlant, dessen Vater und Ehefrau nach dem Kampf vor Aufregung kollabierten, aber schnell wieder zu Kräften kamen, zeigte sich als fairer Verlierer. „Meine Vorbereitung war exzellent, umso enttäuschter bin ich über meine Leistung. Jürgen hat seine Chancen sofort genutzt und war der klar bessere Mann“, sagte er. Dieser bessere Mann wollte in die Lobeshymnen nicht weiter einstimmen. Vielmehr freute er sich schon auf eine besondere Siegprämie, die ihm sein Berater Peter Hanraths versprochen hatte. Gemeinsam mit ihm fliegt er am Montag zum Halbfinal-Rückspiel des FC Bayern München in der Champions League beim FC Barcelona. Bei seinen Boxern war Hanraths schon immer ein Mann, der sein Wort hält.