Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Ob der Handelslehrer Hermann Seiffart ein Verbrecher, Mitläufer oder Opportunist war, wissen wir nicht. Sicher scheint nur, dass der langjährige Vorsitzende des Hamburger Leichtathletik-Verbandes (HLV) schon 1927, fünfeinhalb Jahre vor der Machtergreifung Hitlers, Mitglied der NSDAP wurde, das bei seiner Entnazifizierung zu verschweigen und später zu entschuldigen versuchte. Diese jetzt belegten Tatsachen sollten allerdings reichen, dem nach ihm benannten Gedächtnispreis des HLV und die Hermann-Seiffart-Sportanlage in Bahrenfeld sofort umzubenennen.

Dabei darf es keine Rolle spielen, dass Seiffart nach dem Krieg viel für den Wiederaufbau der Leichtathletik in Hamburg geleistet hat. Das ist anzuerkennen. Ihn aber als Vorbild wahrzunehmen, und aus diesem Grund erfolgten die posthumen Ehrungen, wäre eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus.

Dass 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder Biografien umgeschrieben werden müssen, hat mit einem Webfehler der Bundesrepublik Deutschland zu tun. Konrad Adenauer, 1949 der erste Bundeskanzler, glaubte, den Wiederaufbau des zerstörten Landes nur mit dem Wissen jener Staatsdiener schaffen zu können, die bereits Hitler gedient hatten. Bis in die 1990er-Jahre war deshalb keine Bundesregierung ernsthaft daran interessiert, die vorliegenden Unterlagen der Alliierten aus Millionen von Entnazifizierungsverfahren auszuwerten. Nur so konnte es passieren, dass das Bezirksamt Altona nach eingehender Prüfung Mitte der 80er-Jahre keine Bedenken hatte, den Sportplätzen an der Baurstraße den Namen Hermann Seiffarts zu geben. Erst seit rund 25 Jahren ist eine neue Generation von Politikern und Historikern um Aufklärung bemüht. Sie helfen, Deutschland vor allem im Ausland ein besseres Ansehen zu geben.