Mit 24 Spitzenseglern nimmt das Sailing Team Germany Kurs auf Olympia 2016. Die neue Bundesliga soll den Vereinen weiteren Schub geben.

Hamburg. Eigentlich wollten sich Philipp Buhl und Erik Heil in dieser Woche nur ein wenig warmsegeln. Das 16. Matchrace Germany auf dem Bodensee, das an diesem Mittwoch beginnt, sollte für den Skipper, den Steuermann und ihr deutsches Youth-America's-Cup-Teams eine Art Generalprobe sein, bevor es im September vor San Francisco auf AC45-Katamaranen zum Wettstreit mit den besten Nachwuchsseglern der Welt kommen würde. Stattdessen wird es vielleicht der erste und letzte Auftritt einer Crew, deren Daseinszweck gerade hinfällig geworden ist. Das Sailing Team Germany (STG) und der Norddeutsche Regatta-Verein sagten unter dem Eindruck des tödlichen Unfalls des britischen Olympiasiegers Andrew Simpson die gemeinsame Youth-America's-Cup-Kampagne ab.

"Das Risiko wäre unverantwortlich gewesen, zumal uns nur zehn statt ursprünglich 40 Trainingstagen zugestanden wurden", sagt STG-Geschäftsführer Oliver Schwall. Der Hamburger brachte es einst in der damals olympischen Katamaran-Klasse Tornado zum Weltmeistertitel. Die Kräfte, die auf den hochgezüchteten Rennkatamaranen wirken, hält Schwall für unbeherrschbar. Ohnehin sei das Nachwuchsprojekt nur "ein Versuch gewesen, beim America's Cup Flagge zu zeigen".

Als sportliches Ziel hat sich das Sailing Team Germany schon bei seiner Gründung vor vier Jahren die Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro auf die Fahnen geschrieben. Gut 50 Segler zählen derzeit zum Kreis der Nationalmannschaft - ein Begriff, den es in diesem Sport erst seit Kurzem gibt. "Wir wollten damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen und das Team als gemeinsames Projekt aller Vereine verstanden wissen", sagt Schwall. Neuerdings muss er sich auch nicht mehr mit dem konkurrierenden BMW-Team herumschlagen, nachdem sich der Autokonzern aus dem olympischen Sport zurückgezogen hat.

Die bessere Hälfte der STG-Sportler kommt in den Genuss der Top- oder Eliteförderung. Diese 24 Spitzenathleten werden mit monatlich bis zu 3000 Euro unterstützt - zuzüglich Prämien. Hinzu kommen Serviceleistungen: Fahrzeuge, Trainingsstunden, technologisches Know-how. Im Gegenzug treten die Aktiven ihre Werberechte ab und stehen den Sponsoren, allen voran der Autohersteller Audi und der Softwarekonzern SAP, für PR-Zwecke zur Verfügung. "Wenn man bedenkt, dass die Athleten vorher maximal 300 Euro Sporthilfe erhielten und der Deutsche Segler-Verband nur Trainingsmaßnahmen finanziert", sagt Schwall, "haben wir eine Riesenlücke geschlossen." Er hält das Fördermodell für übertragbar auf andere Randsportarten, die über die geringe staatliche Förderung klagen.

Die SAP hat die Segler intern bereits zum Muster ihrer gesamten Sponsoring-Aktivitäten erklärt. Der Technologiekonzern stellt längst nicht nur Geld, sondern auch Wissen und Know-how zur Verfügung. Ein fast 20-köpfiges Team arbeitet an Datenbankanwendungen, mit denen etwa Strömungen oder Winde der wichtigsten Reviere der Welt berechnet werden können. Auch bei der medialen Aufbereitung des Sports, einem der Hauptziele des Sailing Teams Germany, ist SAP behilflich. Die Fortschritte, die die Segler auf diesem Gebiet gemacht haben, sollen bei der diesjährigen Travemünder Woche (19. bis 28. Juli) besichtigt werden können: Audio- und Videoinformationen, die von Bord über ein auf dem Wasser installiertes WLAN-Netz in Echtzeit an Land übertragen werden; Drohnen, die spektakuläre Luftaufnahmen bieten; mobile Übertragungsstudios, die in unmittelbarer Nähe zum Geschehen aufgebaut werden können und via Internet Livebilder in die Welt senden.

"Nur mit hohem technischen Aufwand wird eine so komplexe Sportart wie das Segeln einem breiten Publikum zugänglich", sagt Schwall. Er erhofft sich von der Traditionsregatta vor der Lübecker Bucht zugleich Rückenwind für das neueste STG-Projekt: die Segel-Bundesliga. Beim Konzept wurden reichlich Anleihen bei anderen Sportarten genommen. Wie beim Fußball treten 18 Vereine gegeneinander an. Und nach dem Vorbild etwa der Ruder-Bundesliga wird quer übers Jahr an verschiedenen Orten veranstaltet: Auftakt ist Anfang Juni auf dem Starnberger See, nach der Travemünder Woche macht die Serie auch auf der Alster Station (30. August bis 1. September), das Finale findet Anfang November in Berlin statt. Gesegelt wird auf Einheitsbootsklassen mit mindestens vier Besatzungsmitgliedern.

Bei den Clubs hat die Idee offenbar einen Nerv getroffen. Für 2014 haben sich bereits 20 weitere angemeldet. "Der Teamgeist, der in den Mannschaften entstehen wird, kann die Verbundenheit mit dem Verein unglaublich stärken", glaubt Robert Stanjek vom Hamburger NRV, Olympiasechster im Starboot. Jochen Schümann und weitere frühere Topathleten haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.

Für die aktuellen Nationalsegler dürfte die Bundesliga schwer im Terminkalender unterzubringen sein. Erik Heil vom NRV etwa, der kürzlich mit Vorschoter Thomas Plößel erstmals einen Weltcup im 49er gewann, hat alles seinem Fernziel Rio untergeordnet, wie schon die Internet-Adresse seines Teams verrät: www.gold2016.de. An Nervenkitzel und Schnelligkeit steht seine Bootsklasse den America's-Cup-Katamaranen ohnehin kaum nach.