Sir Alex Ferguson war bekannt für Wutausbrüche, Kaugummi kauen und Titel in Serie. Nun geht er in den Ruhestand. Ein Porträt.

Hamburg. Als Alex Ferguson als 16-Jähriger sein erstes Ligaspiel für den Amateurclub FC Queen's Park aus seiner Heimatstadt Glasgow absolvierte, war Brasilien durch einen Teenager namens Pelé gerade zum ersten Mal Weltmeister geworden. Mehr als ein halbes Jahrhundert liegt das inzwischen zurück, und aus dem einstigen schottischen Stürmertalent der 1950er Jahre wurde der erfolgreichste Trainer der britischen Fußballgeschichte. An diesem Mittwoch gab sein Verein Manchester United bekannt, dass „Fergie“ im Alter von 71 Jahren am Saisonende den Trainerstuhl räumt – und damit eine Ära endet. „Diese Entscheidung, in Ruhestand zu gehen, ist eine, über die ich sehr viel nachgedacht habe. Es ist die richtige Zeit“, verkündete er.

Mehr als 2500 Spiele hat Ferguson in seiner Karriere als Spieler und Trainer erlebt - die meisten davon hat er gewonnen. Und das Faszinierendste an dem wild Kaugummi kauenden Schotten ist wohl die Tatsache, dass er auch im hohen Alter noch immer jedes einzelne Tor seiner Mannschaft so ausgelassen feiert, als hätte es ihm gerade den nächsten Titel beschert.

Dabei war Ferguson als Spieler alles andere als ein Titelsammler: Bei seinem ersten Verein Queen's Park kam er trotz einer beeindruckenden Quote von 20 Treffern in 31 Partien nie über die Reservistenrolle hinaus. Er wechselte 1960 zum FC St. Johnstone, wo es ihm jedoch kaum besser erging - bis zu einem nachhaltigen Spiel gegen Serienmeister Glasgow Rangers, in dem Ferguson einen Hattrick schaffte. Er ging daraufhin im Sommer 1964 zu Dunfermline Athletic und wurde Profi.

Ein Jahr später wurde der Stürmer mit 31 Treffern Torschützenkönig und 1967 für die damalige Rekordablösesumme zwischen zwei schottischen Clubs in Höhe von 65.000 Pfund zu den Rangers transferiert, wo er allerdings in zwei Jahren ebenfalls keine Titel feiern konnte. Seine Karriere ließ Ferguson beim Zweitligisten FC Falkirk, mit dem er 1970 den Sprung in die erste Liga schaffte, und Ayr United ausklingen. Es war eine Karriere ohne große Erfolge.

Das änderte sich, als der Rotwein-Genießer im Alter von 32 Jahren vom Platz auf die Bank wechselte: East Stirlingshire hieß sein erster Club 1974 - bei dem Ferguson angeblich nur 40 Pfund pro Woche verdiente - den er aber schon nach wenigen Monaten in Richtung St. Mirren verließ. Dort schaffte er mit einer extrem jungen Mannschaft 1977 den Sprung in die erste Liga und machte ein Jahr später den Schritt zum FC Aberdeen.

Der war zwar erstmals ein Topclub, er stand aber stets im Schatten der beiden Glasgow-Vereine und konnte seit dem Titel 1955 in der Liga nichts mehr reißen - bis Ferguson kam: Drei Meisterschaften (1980, 1984 und 1985), vier Pokalsiege (1982 bis 1984 und 1986), ein Ligapokal (1986) und der Europapokalsieg der Pokalsieger, inklusive europäischem Supercup (1983) bedeutete die bis heute erfolgreichste Ära der Clubgeschichte. Ganz nebenbei übernahm er von 1985 bis zur WM 1986 zusätzlich die schottische Nationalelf, nachdem Trainer Jock Stein nach einem Herzinfarkt während eines Spiels verstorben war.

Bereits zu diesem Zeitpunkt wollten die Londoner Clubs FC Arsenal und Tottenham Hotspur den knochigen Schotten, doch Ferguson blieb in Aberdeen - bis Ron Atkinson Anfang November 1986 bei Manchester United entlassen wurde und Ferguson sich erstmals in seinem Fußballer-Leben den Lockrufen aus England nicht mehr widersetzen konnte. Es begann eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, die nach mehr als einem Vierteljahrhundert in diesem Sommer enden wird.

Fergusons Erfolgsserie mit den Red Devils in den vergangenen 27 Jahren ist vermutlich einmalig: Unter ihm feierte United 13 Mal die Meisterschaft, fünfmal den Pokalsieg, viermal den Triumph im Ligapokal und zehnmal den Titel „Community Shield“, also den englischen Supercup. International gewann United unter Sir Alex, der 1999 von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, den Europapokal der Pokalsieger, den europäischen Supercup (beides 1991), zweimal die Champions League (1999, 2008) sowie den Weltpokal (2008).

Ferguson wird in Erinnerung bleiben als Furious Fergie mit dem knallroten Kopf an der Seitenlinie und den gebrüllten Kabinenansprachen. Und mit der Anekdote, wie der Werftarbeitersohn aus Glasgow Govan David Beckham einst cholerisch einen Schuh ins Gesicht kickte – woraufhin Englands Glamourboy wegen einer Platzwunde unter dem Auge genäht werden musste.

Längst einen Platz in der Fußball-Historie haben auch die Psychospielchen des schlechten Verlierers – gegen Referees oder Lieblingstrainer-Feinde wie Rafael Benítez und Arsène Wenger. Ferguson nahm sich seit Jahren in Gutsherrenart das Recht heraus, als einziger Trainer keine Pressekonferenzen nach Premier-League-Spielen abzuhalten und verbannte und boykottierte regelmäßig bestimmte Medien und einzelne Journalisten, die ihm nicht passten.

Über seinen Rücktritt wurde schon oft spekuliert, doch selbst jetzt, da das Ende feststeht, kann sich kaum jemand ein Manchester United ohne Sir Alex Ferguson vorstellen - spätestens, seitdem eine Tribüne in Old Trafford zu seinem 25. Dienstjubiläum im November 2011 nach ihm benannt wurde. Als Clubdirektor und Botschafter bleibt er den „Red Devils“ zwar erhalten. Seine Titelsammlung als Trainer wird allerdings bei einer Anzahl von 49 enden. Dass es nicht zu 50 gereicht hat, wird Ferguson allerdings verkraften können. Schließlich hat er in dieser Saison seinen 13. Meistertitel mit United gewonnen – den 20. der Vereinshistorie. „Es war mir wichtig, eine Organisation in ihrer stärkstmöglichen Verfassung zu verlassen – und ich glaube, das habe ich getan“, sagte der Schotte.