Der neue deutsche Meister strebt nach dem 2:0 gegen Juventus das Triple an. Die Münchner wünschen sich für das Halbfinale der Champions League am liebsten Erzrivale Borussia Dortmund.

Turin. Es war kurz vor halb zwei in der Nacht, als Uli Hoeneß im noblen Hotel Principi di Piemonte in Turin das Feld der Diplomatie verließ - und zum Angriff auf den Lieblingsgegner blies. „Wir wollen ins Endspiel“, sagte der Präsident von Bayern München, „und Dortmund wäre der Gegner, gegen den wir die meisten Chancen hätten.“ Hoeneß grinste. Dortmund als Wunschlos im Halbfinale der Champions League - meinte er das ernst? Die Nachfrage empörte ihn. „Meinen Sie, dass Dortmund besser ist als Real oder Barcelona? Ich glaube nicht!“, rief er.

Über Dortmund nach Wembley zum Triple: So lautet das Motto des Fußball-Rekordmeisters für den Saisonendspurt. Die äußerst souverän gewonnene Meisterschaft, das am Ende lockere 2:0 (0:0) bei Juventus Turin im Rückspiel des Viertelfinals und vielleicht auch der gute Rotwein „Dante Rivetti“ hatten Hoeneß beflügelt. Und die „Abteilung Attacke“ des FC Bayern lief nach der Geisterstunde zur Höchstform auf. Der BVB sei schlagbar, meinte er, „schlagbarer jedenfalls als die Spanier“. Am Tisch der Bayern-Bosse im „Salone delle feste“ habe bei Beef Stroganoff und Seebrassen-Filet die Meinung vorgeherrscht: „Dortmund wäre schön.“ Der Konter des Rivalen kam am Donnerstag prompt. „Die vergangenen Jahre haben ja gezeigt, dass wir gegen die Münchner durchaus das eine oder andere Spiel gewinnen können. Da sollte sich Uli Hoeneß also nicht zu sicher fühlen“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Ob es zum deutschen Duell oder doch zu zwei deutsch-spanischen Duellen kommen wird, entscheidet sich bei der Auslosung am Freitag (12 Uhr/Eurosport und im Liveticker auf abendblatt.de). „Wenn wir zuerst in Madrid oder Barcelona spielen, kriegen wir auch nicht das Hosenflattern“, sagte Hoeneß. Zumal die Bayern in der Form der vergangenen Wochen keinen Gegner fürchten müssen, das zeigte sich erneut in Turin. Nach der anfänglichen Drangperiode des italienischen Meisters hatte die Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes bald alles im Griff, die hitzige Atmosphäre schien sie eher anzustacheln als zu hemmen. Die Tore von Mario Mandzukic (64.), der nach seiner dritten Gelben Karte im Halbfinal-Hinspiel gesperrt sein wird, und Claudio Pizarro (90.+1) sicherten den 15. Sieg im 16. Pflichtspiel 2013.

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schwärmte bei seiner Bankettrede von einem „fantastischen“ FC Bayern und einem „wunderbaren Moment“. Jetzt, sagte Rummenigge, „gibt es eine Chance“ auf den Triumph in der Champions League. Seit dem „Drama dahoam“ mit dem verlorenen Finale 2012 gegen den FC Chelsea glauben sie, dass sie ein Anrecht auf diesen Henkelpott haben. Wenn es gerecht zugehe im Leben, sagen sie, müsste dieser vermaledeite Pokal bald im Vereinsmuseum des FC Bayern stehen. Der 19. Mai 2012, sagte Rummenigge, „steckt uns allen noch ein bisschen in den Gliedern“. Es sei an der Zeit, dieses Trauma zu überwinden. Und das am liebsten mit dem kleinen Umweg über das Ruhrgebiet und den Verein, der die Münchner zwei Jahre lang hat leiden lassen. Es sei der perfekte Moment für eine Revanche, meinte auch Pizarro.

Der Rest der Mannschaft hielt sich jedoch mit Kampfansagen zurück. Vom FC Barcelona mit Lionel Messi, für Kapitän Philipp Lahm „immer noch der Favorit“, redeten sie dagegen mit einem Schuss Ehrfurcht. Hoeneß meinte zwar, als er zu später Stunde vor dem Hotel-Aufzug stand, die Katalanen hätten „ihren Nimbus ein bisschen verloren“. Etwa drei Stunden zuvor sah das aber noch ganz anders aus. Nervös erkundigte sich Hoeneß da bei einem Reporter nach dem Spielstand in Barcelona. Ob es beim 1:1 gegen Paris St. Germain geblieben sei? Ja? Hoeneß atmete schwer. Dabei gab es dafür kaum Anlass.

Das Heynckes-Team scheint derzeit durch nichts aus der Ruhe zu bringen zu sein. Fast beängstigend ist diese Bayern-Dominanz, vor der Juventus wie im Hinspiel (0:2) kapitulieren musste. Und wenn es doch mal ein paar Wackler gibt, dann steht da im Tor dieser Manuel Neuer, der seine wohl beste Phase im Bayern-Trikot erlebt. In zehn der 16 Pflichtspiele 2013 blieb er ohne Gegentor. Auch an Neuer wird Lahm wohl gedacht haben, wenn er von „richtigen Charakteren“ sprach, die der Mannschaft helfen, schwere Minuten zu überstehen. „Wir sind als Team richtig gereift in den letzten Jahren“, sagte Lahm. Reif für den Triumph am 25. Mai in London? Laut Hoeneß: ja! Turins Trainer Antonio Conte prophezeite, der FCB werde „Europa in Zukunft dominieren“.

Die italienische Zeitung Repubblica schrieb, der FC Bayern sei „ein Klub von einem anderen Planeten“. Und Rummenigge lobte die „Gier“ der Spieler, „alles mitzunehmen, was mitzunehmen ist“. Dann setzte sich der Vorstandschef „ausdrücklich“ über Sportvorstand Matthias Sammer hinweg und erlaubte den Profis eine Feier. Arjen Robben nahm Rummenigge beim Wort, verabschiedete sich mit einem Glas Rotwein aufs Zimmer. „Jetzt“, sagte er, „wird es ein Feuerwerk geben.“ Er sprach vom Halbfinale. Die Bayern, sollte das wohl bedeuten, sind heiß. Heiß auf Dortmund.