Radprofi Stefan Schumacher hat sich in die Liste der Doping-Beichter eingereiht. Nach jahrelangem Abstreiten packt der 31-Jährige jetzt aus und belastet seinen früheren Teamchef Hans-Michael Holczer.

Berlin. Nach vehementem Leugnen hat der einst als „Rad-Schumi“ gefeierte Stefan Schumacher erstmals jahrelanges Doping gestanden. Zugleich belastete er seinen damaligen Teamchef Hans-Michael Holczer und frühere Ärzte schwer. „Ich habe EPO genommen, auch Wachstumshormon und Kortikosteroide“, sagte der zweifache Etappensieger und Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France 2008 in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Zuvor hatte der schwäbische Radprofi aus dem beschaulichen Nürtingen stets hartnäckig die Einnahme verbotener Substanzen bestritten. Holczer wies die Beschuldigungen seines ehemaligen Angestellten von sich.

Der ehemalige Chef des Schumacher-Rennstalls Gerolsteiner habe von den illegalen Vorgängen gewusst. „Einen so laxen Umgang mit Medikamenten habe ich nur bei Gerolsteiner erlebt und Holczer war darüber bestens im Bilde“, erklärte der Profi, der einmal zu den größten Hoffnungen des deutschen Radsports nach Jan Ullrich zählte. Schumacher fährt derzeit für den dänischen Drittligisten Christina Watches unter der Regie des Ex-Profis Michael Rasmussen, der unlängst ebenso umfassendes Doping gestand.

„Dass er nichts vom Doping in seinem Team wusste, wie er behauptet, stimmt nicht“, erklärte Schumacher in Richtung Holczer. „Unsere Teamärzte wussten Bescheid. Sie haben zum Teil aktiv beim Dopen mitgemischt und Holczer hat ständig mit den Ärzten geredet, die er ja auch eingestellt hat“, erklärte Schumacher, hinter dessen öffentlichem Geständnis Holczer Prozesstaktik vermutet. Der Radprofi muss sich vom 10. April an vor dem Landgericht Stuttgart wegen Betrugsvorwurfes verantworten. Dabei geht es auch um die Rückerstattung von Gehaltsanteilen in Höhe von 150.000 Euro an Holczer.

Holczer: „Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen“

Der Geschichts- und Mathematiklehrer aus Böblingen, der in seiner Zeit bei Gerolsteiner in der Öffentlichkeit als aufrechter Anti-Doping-Kämpfer wahrgenommen worden war, habe laut Schumacher „nach außen den großen Mahner gegeben“, intern habe sich „aber nie etwas geändert“. Neben Schumacher waren auch Bernhard Kohl (Österreich), Davide Rebellin (Italien) und Lance Armstrongs ehemaliger Teamkollege Levi Leipheimer (USA) während ihrer Zeit bei der Profimannschaft des Mineralwasser-Herstellers oder danach wegen Dopings aufgeflogen.

Der beschuldigte Holczer reagierte am Freitag gelassen. „Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen und diskreditiert eine komplette Mannschaft. Ich werde mich nicht direkt zu den taktischen Anschuldigungen eines Herrn Schumacher äußern. Ihm steht ein Betrugs-Prozess vor dem Landgericht Stuttgart bevor. Das wird die Angelegenheit klären“, sagte der frühere Teamchef des russischen Katusha-Rennstalls, der inzwischen auf einen Beraterposten im russischen Radsport-Verband gerückt ist. Holczer ist am 18. April zum Schumacher-Prozess als Zeuge geladen.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) begrüßten Schumachers Geständnis und riefen den Profi zur Nennung von Details auf. Der 31-Jährige „hätte vor allem sich selbst, aber auch dem Sport manches ersparen können, wenn er früher die Wahrheit gesagt hätte“, werden DOSB-Generaldirektor Michael Vesper und BDR-Präsident Rudolf Scharping in einer gemeinsamen Mitteilung zitiert. „Aber das Geständnis kommt früh genug, um daraus für den Anti-Doping-Kampf Konsequenzen zu ziehen.“

„Ich habe mich in ein System eingefügt“

Schon mit Anfang 20 habe er begonnen, sich Spritzen zu setzen, bekannte Schumacher. „Ich habe mich in ein System eingefügt“, räumte er ein. „Doping wird zum Alltag wie der Teller Nudeln nach dem Training.“ Er bot den zuständigen Gremien Kooperation an: „Ich bin bereit, mein Wissen mit den relevanten Organisationen wie WADA, NADA, UCI zu teilen. Ich weiß ja, wie viele Fahrer EPO genommen haben.“ Das Angebot begrüßten DOSB und BDR. „Wir setzen darauf, dass durch seine Aussagen die Hintermänner überführt und bestraft werden können“, sagten Vesper und Scharping.

Während Schumachers Zeit beim Team Gerolsteiner von 2006 bis 2008 sei im Mannschaftsbus eine Vielzahl von Medikamenten transportiert worden. „Die meisten Sachen konnte sich jeder aus der Medikamentenbox nehmen. Das war völlig verrückt.“ Namen von Ärzten nannte Schumacher im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Kohl nicht. In den Ermittlungen der Affäre der Wiener Blutbank Humanplasma hatte der geständige Tour-„Bergkönig“ aus Österreich einen früheren Gerolsteiner-Arzt belastet.

Der jetzt Geständige war im Juli 2008 bei der Tour und danach bei Olympia in Peking die Einnahme des Blutdopingmittels Cera nachgewiesen worden. Als Folge war der WM-Dritte von Stuttgart 2007 vom Internationalen Sportgerichtshof CAS bis 27. August 2010 gesperrt worden.