Sport bestimmt das Leben der Familie Hansen. An diesem Freitag drückt sie den Töchtern Bineta und Carlota beim Girls-Box-Cup die Daumen.

Hamburg. Aufgeregt? Ja, ist sie. Ist schließlich auch wahnsinnig spannend, das erste Mal im Leben in einen Boxring zu steigen, während die meisten anderen 14 Jahre alten Mädchen reiten, Hockey spielen oder tanzen gehen - sofern sie überhaupt Sport machen. Und dann startet die Karriere an diesem Freitag (18 Uhr, Verbandshalle Braamkamp) auch noch in Hamburg, beim renommierten Girls-Box-Cup, einem Turnier mit 165 Teilnehmerinnen aus zwölf Nationen in allen Altersklassen. Bineta Hansen freut sich riesig darauf, dass ihr Freundeskreis zuschauen kann. Noch wichtiger aber ist ihr, dass die Familie am Ring sitzen wird, denn seit sie denken kann, ist es immer so gewesen, dass sie ihre Leidenschaften mit ihren vier Geschwistern geteilt hat.

Bineta, ihre Schwester Carlota, 17, und ihr Bruder Alban, 16, begannen vor vier Jahren beim FC St. Pauli mit dem Boxen, und weil sie das Zusammenspiel aus Koordination, Kraft und Kopfarbeit faszinierte, blieben sie nicht nur dabei, sondern infizierten auch Schwester Daytona, 12, und Bruder Estoril, 11, mit dem Boxfieber. Im vergangenen Jahr erwischte es auch Mutter Christiane, 47, die früher beim Harvestehuder THC viele Jahre Hockey spielte.

Seitdem boxen die sechs Hansens dreimal pro Woche gemeinsam beim BC Hanseat in der Seilerstraße auf St. Pauli. Das Konzept des Clubs, das alle Alters- und Leistungsklassen in einer Trainingsgruppe zusammenführt, scheint maßgeschneidert für eine Familie wie die Hansens, denen die Gemeinschaft über alles geht. "Ich kenne keine Familie, die mit so einem Zusammenhalt und Spaß Sport treibt", sagt Hussein Ismail, der in Hamburg ein anerkannter Frauen-Boxtrainer ist. Unter ihm reifte Carlota, die an diesem Freitag ihren 13. Kampf macht, zu einem der hoffnungsvollsten Talente der Stadt.

Christiane Hansen ist eine Frau mit einem Lachen, das fröhlich macht, und weil sie sehr viel lacht, während sie die Familiengeschichte erzählt, kommt zu keiner Zeit ein Zweifel daran auf, dass die Familie Hansen eine glückliche Familie ist, obwohl sie einen Alltag lebt, den andere kaum durchhalten würden. In diesem Alltag spielt der Sport die Hauptrolle, und weil das so ist, sind alle Familienmitglieder auch bereit, sich in anderen Bereichen unterzuordnen und einzuschränken.

Boxen ist zwar die größte, aber nicht die einzige Passion, die die Hansens teilen. Jeden Abend gehen sie, zusätzlich zum Training, joggen. Ihr Herz schlägt auch für den Fußball. Daytona und Bineta spielen für den FC St. Pauli, die Jüngere zudem in der Stadtauswahl. Die drei ältesten Geschwister sind als Schiedsrichter aktiv, leiten am Wochenende regelmäßig Jugendspiele. Um die Reisen zu den diversen Wettkämpfen ihrer Kinder so kostengünstig wie möglich gestalten zu können, hat Christiane Hansen einen Mercedes-Sprinter mit neun Sitzen angeschafft. Um ihn zu finanzieren, musste sie sich Geld leihen, denn als selbstständige Grafikdesignerin verdient sie gerade so viel, "dass wir immer auf Kante nähen müssen".

Dass sie eine Mutter ist, die gelernt hat, sich in einem liebenswerten Chaos zurechtzufinden, zeigt schon die Art, wie die Namensfindung ihrer Kinder ablief. Carlota und Alban wurden nach Mitgliedern aus der Familie des halbchilenischen Vaters, von dem Christiane Hansen getrennt lebt, benannt. Als die zweite Tochter zur Welt kam, wollte die Mama einen Vornamen mit B, weil es A und C schon gab. Benita war ihr zu gebräuchlich, "da habe ich einfach das E mit dem I getauscht". Tochter Nummer drei musste einen D-Namen bekommen und wurde Daytona genannt, und als der zweite Sohn kam und ein ausgefallener Vorname mit E gesucht wurde, machte ein Freund der Familie den Vorschlag, "ihn Estoril zu nennen, das ist eine Rennstrecke in Portugal, und da Daytona eine Rennstrecke in Florida ist, machte das Sinn", sagt sie.

Wer nun vermutet, die Hansens würden alles darauf setzen, ihr berufliches Glück im Leistungssport zu finden, der irrt. Die schulische Ausbildung der Kinder ist der Mutter, die sich nachhaltig im Elternrat engagiert, immens wichtig. Bis auf Daytona, die auf die Stadtteilschule am Hafen in der Neustadt geht, besuchen alle Geschwister das altsprachliche Wilhelm-Gymnasium am Klosterstieg, jeden Morgen fährt der Mercedes-Sprinter die Strecke, zurück gehen die Kinder zu Fuß. Gemeinsame Mahlzeiten in der 150-Quadratmeter-Wohnung am Herrengraben sind ebenfalls Pflicht. Außerdem sind alle fünf Kinder, die früher zur Jugend-Opernakademie gingen, passionierte Schauspieler, standen schon für diverse TV-Produktionen vor der Kamera.

Wo sie die Zeit dafür hernehmen, neben Sport und Schule, Hobbys und Freundschaften zu pflegen? "Wir schlafen wenig", sagt Christiane Hansen. Vor 0.30 Uhr gehe selten jemand zu Bett, und wenn um 5.30 Uhr der erste Wecker klingelt, sind bis auf Alban, der auch mal bis 6.45 Uhr schläft, alle wach und fit. "Fünf Stunden Schlaf sind ausreichend", findet die Mutter. Wie gut ihre Töchter in der zurückliegenden Nacht geschlafen haben, wird sich zeigen. Die Aufregung vor den großen Auftritten beim Girls-Box-Cup könnte sogar selbstbewussten Sportlerinnen wie Bineta und Carlota Hansen zusetzen. Aber mal ehrlich: Was soll ihnen passieren, mit so einer Familie im Rücken?