Der 20 Jahre alte Weltergewichtler steht stellvertretend für die drohende Eskalation im Konflikt zwischen Amateur- und Profilager.

Hamburg. Kürzlich erhielt Rayko Löwe eine SMS, die ihn schockierte. Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxsportverbands (DBV), teilte dem 20 Jahre alten Weltergewichtler in deutlichen Worten mit, dass man ihn aus dem Bundeskader, der Sportfördergruppe der Bundeswehr und seiner Trainingsgruppe bei Traktor Schwerin herausnehmen werde. Zudem dürfe er nicht mehr an nationalen Turnieren wie dem Chemiepokal teilnehmen.

Ausgelöst hatte die drastische Reaktion Löwes fehlende Unterschrift unter der Athletenvereinbarung, mit der der DBV seine Spitzenathleten an sich zu binden versucht. Der als Arayk Marutyan in Armenien geborene Sportler hatte sich auf Empfehlung seines Beraters Peter Hanraths, einst Geschäftsführer des Hamburger Profistalls Universum, gegen einen Vertragsabschluss entschieden. "Ich habe viele einseitige Verträge gesehen, aber dieser ist sittenwidrig", sagt Hanraths. Sein Hauptvorwurf: "Es sind nur Pflichten geregelt, aber keine Rechte, keine verbindlichen Verdienstsummen." Dass Löwe nun von sämtlichen Fördermaßnahmen ausgeschlossen werden soll, kann Hanraths nicht verstehen. "Man verbaut dem Jungen seine Zukunft. Aber er darf und wird sich nicht erpressen lassen."

DBV-Präsident Jürgen Kyas kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. "Alle anderen Athleten haben den Vertrag rechtlich geprüft und unterschrieben. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Hanraths das Gespräch mit uns sucht, aber das ist nie geschehen. Sittenwidrig ist, dass er mit jungen Menschen Geschäfte macht", sagt er. Der Verband halte die Verträge für "fair und ausgewogen, es ist klar geregelt, dass der DBV die Athleten in dem Maß, das er leisten kann, optimal fördert". Dass bei einem Wechsel ins Profilager vor Ablauf der Athletenvereinbarung eine bis zu siebenstellige Summe gezahlt werden müsse, sei eine längst fällige Anpassung.

Die strengen Maßgaben, die das Bundesinnenministerium und der Deutsche Olympische Sportbund bei den Zielvereinbarungsgesprächen mit dem DBV nach dem medaillenlosen Olympiaauftritt in London einforderten, erlaubten kein anderes Vorgehen. "Man hat uns klar gesagt, dass es nicht mehr sein darf, dass wir Sportler mit Fördergeldern aufbauen, die dann ohne Entschädigung zu den Profis abwandern. Wir dürfen keine Steuergelder mehr verbrennen", sagt Kyas. Deshalb müsse man sich durch die Athletenvereinbarungen absichern. "Wer die nicht unterschreibt, der muss verstehen, dass er aus der Förderung herausfällt."

Der Streit um Löwe ist letztlich nur der Vorbote einer Umsturzwelle, die auf das Boxen zurollt. Der Amateur-Weltverband AIBA will sich gegen die Abwanderung seiner Besten ins Profigeschäft nachhaltig wehren. Deshalb baut die AIBA eine eigene Profiserie auf, die es von 2014 an Sportlern ermöglichen soll, ihre gesamte Karriere unter einem Dach absolvieren und trotzdem an Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Die vier großen Profi-Weltverbände wollen unter anderem mit der Einführung eigener Amateurserien antworten. Sie und die Promoter werfen der AIBA vor, ihnen das Geschäft zerstören und ihren Gewinn maximieren zu wollen, was ihr als olympischem Verband untersagt sei. Ein Vorwurf, den Kyas zurückweist. "Im Gegensatz zu den Profiverbänden und -promotern reinvestiert die AIBA alle Gewinne in die Förderung ihrer Athleten."

Während im olympischen Boxen das sportliche Ergebnis aller im Vordergrund steht, wird im Profibereich vorrangig nach finanziellem Erfolg Einzelner gestrebt. Hanraths bestreitet das nicht. "Ich will das Beste für meinen Jungen", sagt er. Den Plan, Löwe bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro als Amateur kämpfen zu lassen, werde man jedoch überdenken. "Bislang war ein Wechsel zu den Profis kein Thema. Jetzt werden wir uns damit befassen müssen", sagt er.